MB_02_186 | Schiedsgerichtsordnung der IHK zu LeipzigSeite drucken

Schiedsgerichtsordnung der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig

in der Fassung vom 01.10.2018, redaktionell angepasst am 01.10.2020, zuletzt geändert mit Beschluss der Vollversammlung vom 12.04.2022 mit Wirkung zum 01.05.2022

 

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften

§ 1 Geltungsbereich Anzuwendende Vorschriften

(1) Diese Schiedsgerichtsordnung findet auf Streitigkeiten Anwendung, die nach einer von den Parteien getroffenen Schiedsvereinbarung durch ein Schiedsgericht der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig nach dieser Schiedsgerichtsordnung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges entschieden werden soll.

(2) Soweit die nachfolgenden Regelungen nichts Anderes bestimmen, gilt das 10. Buch der Zivilprozessordnung.

 

§ 2 Sitz des Schiedsgerichts

Sitz des Schiedsgerichts ist die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. Sitzungen des Schiedsgerichts können auf gemeinsamen Parteienvorschlag auch an anderen Orten stattfinden.

 

§ 3 Schiedsrichter

(1) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter, wenn die Parteien nicht die Entscheidung durch drei Schiedsrichter vereinbaren.

(2) Der Einzelschiedsrichter bzw. der Vorsitzende des Schiedsgerichts müssen die Befähigung zum Richteramt haben oder als Rechtsanwalt zugelassen sein.

(3) Die Geschäftsstelle des Schiedsgerichts gibt auf Anfrage Anregungen für die Schiedsrichterauswahl.

 

§ 4 Annahme des Schiedsrichteramtes

Jeder Schiedsrichter hat sich unverzüglich nach Mitteilung seiner Bestellung bzw. Wahl gegenüber der Geschäftsstelle über die Annahme des Schiedsrichteramtes zu erklären. Die Geschäftsstelle unterrichtet die Parteien.

 

§ 5 Ablehnung des Schiedsrichters

(1) Ein Schiedsrichter kann abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigten Zweifel an seine Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine Partei kann einen Schiedsrichter, den sie bestellt oder an dessen Bestellung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, die ihr erst nach der Bestellung bekannt geworden sind. Ein Schiedsrichter kann ferner abgelehnt werden, wenn er die Erfüllung seiner Pflichten als Schiedsrichter ungebührlich verzögert.

(2) Die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnen will, hat innerhalb von 2 Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurück oder stimmt die andere Partei der Ablehnung nicht zu, so entscheidet das Schiedsgericht über die Ablehnung. Bleibt die Ablehnung erfolglos, so kann die ablehnende Partei innerhalb eines Monats, nachdem sie von der Entscheidung, mit der die Ablehnung verweigert wurde, Kenntnis erlangt hat, bei Gericht eine Entscheidung über die Ablehnung beantragen.

(3) Erklärt sich die andere Partei mit der Ablehnung einverstanden oder legt der Schiedsrichter sein Amt nach der Ablehnung nieder oder ist dem Ablehnungsgesuch stattgegeben worden, so hat die Partei, die den abgelehnten Schiedsrichter bestellt hat oder hätte bestellen können, einen anderen Schiedsrichter zu bestellen oder haben die beiden Schiedsrichter einen anderen Vorsitzenden zu wählen. §§ 3 und 4 gelten entsprechend.

 

§ 6 Verhinderung eines Schiedsrichters

Ist ein Schiedsrichter verhindert, das Schiedsrichteramt auszuüben, so gilt § 5 Abs. 3 entsprechend.

 

Zweiter Abschnitt: Einleitung und Durchführung des Verfahrens

 

§ 7 Allgemeine Verfahrensregeln

(1) Die Parteien sind gleich zu behandeln. Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren. Im Übrigen werden die Verfahrensregeln vom Schiedsgericht im Rahmen zwingenden Rechts nach freiem Ermessen bestimmt.

(2) Der Vorsitzende leitet das Verfahren. Er hat darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich über alle erheblichen Tatsachen vollständig erklären und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Das Schiedsgericht hat das Verfahren zügig zu fördern und in angemessener Frist einen Schiedsspruch zu erlassen.

(4) Der Schiedsspruch und alle sonstigen Entscheidungen werden mit Stimmenmehrheit gefasst.

 

§ 8 Einleitung des Verfahrens

(1) Der Kläger hat die Klage in dreifacher Ausfertigung im Falle eines Einzelschiedsrichters, ansonsten in fünffacher Ausfertigung schriftlich bei der Geschäftsstelle an folgende Adresse einzureichen:
IHK zu Leipzig
Geschäftsstelle des Schiedsgerichts
Goerdelerring 5, 04109 Leipzig
Telefon: 0341 1267 – 1401
Telefax: 0341 1267 – 1422

Das Schiedsgerichtsverfahren beginnt mit Zugang der Klage bei der Geschäftsstelle.

(2) Die Klage muss enthalten: 

  • die Bezeichnung der Parteien;
  • die Angabe der Schiedsvereinbarung;
  • die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches;
  • einen bestimmten Antrag;
  • den Vorschlag für den Einzelschiedsrichter oder wenn die Entscheidung durch drei Schiedsrichter vereinbart ist, die Ernennung eines Schiedsrichters.

Die Klage soll eine Angabe zur Höhe des Streitwertes enthalten.

(3) Die Geschäftsstelle stellt die Klage unverzüglich dem Beklagten zu.

 

§ 9 Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern

(1) Mit der Zustellung der Klage an den Beklagten fordert die Geschäftsstelle den Beklagten auf, innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung der Klage seinerseits einen Schiedsrichter zu bestellen. Die Geschäftsstelle ist berechtigt, die Frist einmal um höchsten drei Wochen zu verlängern. Hat der Beklagte nicht fristgerecht einen Schiedsrichter bestellt oder lehnt der bestellte Schiedsrichter das Amt ab, ernennt der Präsident der IHK oder sein satzungsmäßiger Vertreter auf Antrag des Klägers den Schiedsrichter.

(2) Die beiden Schiedsrichter wählen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts und zeigen ihre Wahl der IHK und den Parteien unverzüglich an. Bei der Wahl sollen die Schiedsrichter übereinstimmende Wünsche der Parteien berücksichtigen. Haben die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch die Geschäftsstelle die Wahl des Vorsitzenden angezeigt, ernennt der Präsident der IHK zu Leipzig oder sein satzungsmäßiger Vertreter auf Antrag einer Partei den Vorsitzenden des Schiedsgerichts.

 

§ 10 Einzelschiedsrichter

Besteht das Schiedsgericht aus einem Einzelschiedsrichter und haben sich die Parteien nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung der Klage an den Beklagten auf den Einzelschiedsrichter geeinigt, ernennt der Präsident der IHK zu Leipzig oder sein satzungsmäßiger Vertreter auf Antrag einer der Parteien den Einzelschiedsrichter.

 

§ 11 Zustellung von Schriftsätzen, Ladungen und Verfügungen des Schiedsgerichts

(1) Die Schiedsklage, Schriftsätze, die Sachanträge oder eine Klagerücknahme enthalten, sowie Ladungen, fristsetzende Verfügungen sowie der Schiedsspruch des Schiedsgerichts sind den Parteien mittels Postzustellungsurkunde zuzustellen. Alle anderen Schriftsätze, Mitteilungen und Niederschriften können durch einfachen Brief übersandt werden. Alle Schriftstücke und Informationen, die dem Schiedsgericht von einer Partei zugeleitet werden, sind gleichzeitig auch der anderen Partei zu übermitteln.

(2) Ist ein Schriftstück, das gemäß Absatz 1 zuzustellen ist, in anderer Weise zugegangen,  so gilt die Zustellung als im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs bewirkt.

(3) Hat eine Partei einen Prozessbevollmächtigten bestellt, müssen Zustellungen an diesen erfolgen.

 

§ 12 Säumnis einer Partei

(1) Versäumt es der Beklagte ohne genügende Entschuldigung, innerhalb einer vom Vorsitzenden gesetzten Frist die Klagebeantwortung einzureichen, oder versäumt es im weiteren Laufe des Verfahrens eine Partei ohne genügende Entschuldigung, innerhalb einer vom Vorsitzenden gesetzten Frist einer Auflage des Schiedsgerichts nachzukommen, oder ist trotz ordnungsmäßiger Ladung eine Partei ohne genügende Entschuldigung in einem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und nicht vertreten, so kann das Schiedsgericht das Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch nach den vorliegenden Erkenntnissen erlassen.

(2) Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Schiedsgerichts glaubhaft zu machen.

(3) Die Säumnis einer Partei gilt nicht als Zugeständnis des tatsächlichen Vorbringens der anderen Partei.

 

§ 13 Verhandlungsniederschrift

Über jede mündliche Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen. Sie ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Parteien erhalten Abschriften der Niederschrift.

 

§ 14 Schiedsvergleich

(1) Das Schiedsgericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Streits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Schließen die Parteien einen Vergleich, so ist er in die Niederschrift aufzunehmen. Auf Antrag der Partei ist der Vergleich in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut zu fertigen.

(3) Soll die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich ermöglicht werden, so muss sich die verpflichtete Partei in dem Vergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. In diesem Fall muss die Niederschrift, in der der Vergleich beurkundet wird, von den  Parteien und den Schiedsrichtern unter Angabe des Datums des Abschlusses des Vergleichs unterschrieben werden.

 

§ 15 Anzuwendendes Recht

(1) Das Schiedsgericht hat den Rechtsstreit nach den Rechtsvorschriften zu entscheiden, deren Anwendung auf das streitige Rechtsverhältnis die Parteien vereinbart haben. Die Verweisung auf die Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates ist, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben, als unmittelbare Verweisung auf das materielle Recht dieses Staates und nicht auf sein Kollisionsrecht zu verstehen.

(2) Haben die Parteien das anzuwendende Recht nicht vereinbart, so hat das Schiedsgericht nach den Rechtsvorschriften zu entscheiden, die nach dem von ihm für anwendbar gehaltenen Kollisionsrechts anzuwenden sind.

(3) Das Schiedsgericht darf nur dann nach Billigkeit entscheiden, wenn die Parteien es ausdrücklich dazu ermächtigt haben.

(4) In allen Fällen hat das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche zu berücksichtigen.

 

§ 16 Förmlichkeiten des Schiedsspruches

(1) Der Schiedsspruch muss schriftlich abgefasst werden. Er ist zu begründen, es sei denn, die Parteien verzichten darauf. Er hat zu enthalten:

  • Bezeichnung der Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens;
  • Bezeichnung der Schiedsrichter, die den Schiedsspruch erlassen;
  • Sitz des Schiedsgerichts;
  • Datum des Erlasses des Schiedsspruches;
  • Formel des Schiedsspruches mit der Entscheidung dessen, was zwischen den Parteien rechtens sein soll;
  • Tatbestand;
  • Entscheidungsgründe;
  • Unterschriften der Schiedsrichter.

(2) Ist die Unterschrift eines Schiedsrichters, der an der Abstimmung über den Schiedsspruch mitgewirkt hat, nicht zu erlangen, so reicht die Unterschrift der übrigen Schiedsrichter aus. Der Vorsitzende hat unter dem Schiedsspruch zu vermerken, dass die Unterschrift des einen Schiedsrichters nicht zu erlangen war. Der Vorsitzende hat dafür zu sorgen, dass die erforderliche Anzahl von Unterschriften des Schiedsspruches hergestellt wird.

(3) Der Schiedsspruch ist den Parteien gemäß § 11 zuzustellen.

 

§ 17 Kostenentscheidung

(1) Das Schiedsgericht hat in dem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, welche Partei die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens einschließlich der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu tragen hat.

(2) Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu tragen. Das Schiedsgericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Falles, insbesondere wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten gegeneinander aufheben oder verhältnismäßig teilen.

(3) Absatz 1 und 2 gelten entsprechend, wenn sich das Verfahren in der Hauptsache ohne Schiedsspruch erledigt hat, sofern die Parteien sich nicht über die Kosten geeinigt haben.

 

§ 18 Verschwiegenheitspflicht

Die Schiedsrichter und die Geschäftsstelle haben, soweit der Schiedsspruch nicht veröffentlicht wird, über das Verfahren und alle ihnen bei der Ausübung des Schiedsrichteramtes bekannt gewordenen Tatsachen Verschwiegenheit gegenüber jedermann zu bewahren.  Das Schiedsgericht hat auch die von ihm in dem Verfahren hinzugezogenen Personen zur Verschwiegenheit zu verpflichten.

 

§ 19 Wirkung des Schiedsspruches

Der Schiedsspruch ist endgültig und hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.

 

Dritter Abschnitt: Kosten des Verfahrens

§ 20 Kosten des Schiedsgerichts

(1) Die Schiedsrichter haben Anspruch auf eine Vergütung (Gebühren und Erstattung von Auslagen sowie anfallender Mehrwertsteuer), für die die Parteien des Schiedsvertrages als Gesamtschuldner haften.

(2) Die Gebühren bestimmen sich nach dem Streitwert, der vom Schiedsgericht nach den gesetzlichen Bestimmungen festgelegt wird.

(3) Das Schiedsgericht kann die Gebühren bei einer Erledigung des Verfahrens entsprechend dem Verfahrensstand nach billigem Ermessen ermäßigen.

(4) Die IHK zu Leipzig erhält ein Bearbeitungsentgelt und die Auslagen gemäß der Entgeltordnung der IHK zu Leipzig in der jeweils geltenden Fassung.

(5) Das Schiedsgericht erhebt einen Vorschuss auf die Vergütung der Schiedsrichter und das Bearbeitungsentgelt.

(6) Die Vorschüsse gemäß Absatz 5 sind von den Parteien zu gleichen Teilen zu tragen.

(7) Das Schiedsgericht kann weitere Vorschüsse anfordern und den Fortgang des Verfahrens von deren Eingang abhängig machen.

 

§ 21 Vergütung der Schiedsrichter

Für die Vergütung der Schiedsrichter wird das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz mit folgenden Maßgaben angewendet:

  1. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 Vergütungsverzeichnis) beinhaltet neben dem Betreiben des Verfahrens auch den Erlass des Schiedsspruches.
  2. Die Berechnung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 ff Vergütungsverzeichnis entfällt.
  3.  Der Gebührensatz erhöht sich für den Vorsitzenden und den Einzelschiedsrichter um die Hälfte.
  4.  Enthält der Schiedsspruch eine Begründung, so verdoppelt sich die Verfahrensgebühr für den Vorsitzenden und den Einzelschiedsrichter.
  5. Es wird ein Minimumstreitwert in Höhe von 5.112,82 EUR festgelegt.

 

Leipzig, 12.04.2022

Die vorstehende Änderung der Schiedsgerichtsordnung der IHK zu Leipzig wird hiermit ausgefertigt und im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Kristian Kirpal, Präsident
Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, dessen ungeachtet beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Aktualisierung: 28.03.2023