Reihengeschäft § 3 Abs. 6a UStG, Art. 36a Abs. 1 MwStSystRL
1. Einführung
§ 3 Abs. 6a Umsatzsteuergesetz (UStG) regelt das Reihengeschäft und beruht auf Art. 36a der Mehrwertsteuer-System- Richtlinie (MwStSystRL).
Nach Art. 36a Abs. 1 MwStSystRL liegt ein Reihengeschäft vor, wenn dieselben Gegenstände nacheinander geliefert und aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Erwerber in der Reihe versandt oder befördert werden.
Nach § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG liegt ein Reihengeschäft vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt.
Zwar formuliert § 3 Abs. 6a UStG das Reihengeschäft anders als Art. 36a MwStSystRL ohne explizite Bezugnahme auf eine innergemeinschaftliche Warenbewegung, so dass § 3 Abs. 6a UStG auch Lieferungen im Inland umfasst. Die Bedeutung des Reihengeschäfts liegt aber im innergemeinschaftlichen Warenverkehr und im Warenverkehr mit Drittstaaten, denn nur da kommt es wesentlich auf den Ort der Lieferung an.
Nach § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG kann nur eine Lieferung die Transportlieferung (bewegte Lieferung) sein, während die übrigen Lieferungen in der Reihe unbewegte/ruhende Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 7 UStG sind. Deshalb kommt es maßgebend darauf an, nach welchen Kriterien sich diese Zuordnung vollzieht. Dabei ist entscheidend, wer den Transport veranlasst hat. Deshalb muss danach unterschieden werden, wer die Beförderung/Versendung des Liefergegenstandes übernimmt.
Diese Zuordnung ist maßgebend für die Steuerbefreiung im innergemeinschaftlichen Reihengeschäft. Bei diesem ist nur eine der Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferung befreit und das ist diejenige Lieferung, der die Beförderung/ Versendung zuzuordnen ist. Diese warenbezogene Lieferung wird in dem Mitgliedstaat ausgeführt, in dem der Transport des Liefergegenstandes beginnt. Sie wird aber dort – im Herkunftsmitgliedstaat – als innergemeinschaftliche Lieferung befreit, wenn der Liefergegenstand in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet wird (Bestimmungslandmitgliedstaat) und wenn der Abnehmer der im Herkunftsmitgliedstaat befreiten innergemeinschaftlichen Lieferung im Bestimmungslandmitgliedstaat mit dem Erwerb des Liefergegenstandes der Besteuerung unterliegt.
2. Unmittelbare Warenbewegung vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer, § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG
Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Notwendig ist eine einheitliche Warenbewegung vom ersten Unternehmer (ersten Lieferer) an den letzten Abnehmer (letzter Erwerber).
Danach liegt kein Reihengeschäft vor, wenn die Transportverantwortlichkeit bei mehreren an der Reihe beteiligten Unternehmern (sogenannte gebrochene Beförderung oder Versendung) liegt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach die Warenbewegung nur einer der Lieferungen zuordenbar ist.
3. Beförderung oder Versendung des ersten Unternehmers in der Reihe, § 3 Abs. 6a Satz 2 UStG
Wird der Gegenstand der Lieferung unter den Voraussetzungen eines Reihengeschäfts durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung nach § 3 Abs. 6a Satz 2 UStG seiner Lieferung zuzuordnen. Damit will der Gesetzgeber entsprechend der bislang geltenden Rechtsanwendung gesetzlich klarstellen, dass bei Beförderung oder Versendung durch den ersten Unternehmer entsprechend der Transportveranlassung die Warenbewegung der Lieferung des ersten Unternehmers zuzuordnen ist.
Bei § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG befördert oder versendet der erste Unternehmer (Lieferer). Er trägt die Transportverantwortung, was bedingt, dass er die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert. Das bedeutet, dass der erste Unternehmer auch die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache während des Transports trägt, den er selbst durchführt oder auf seine Rechnung durchführen lässt. Die Warenbewegung wird dem ersten Unternehmer zugeordnet, so dass sich der Ort seiner Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG richtet und die Lieferung dort als ausgeführt gilt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Bei Grenzübertritt des Gegenstandes an den letzten Abnehmer ist die Lieferung des ersten Unternehmers (Lieferers) an seinen Abnehmer die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung, während sein Abnehmer im Bestimmungsland den entsprechenden Erwerb zu versteuern hat.
4. Der letzte Abnehmer befördert oder versendet, § 3 Abs. 6a Satz 3 UStG
Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung gem. § 3 Abs. 6a Satz 3 UStG der Lieferung an ihn zuzuordnen. Auch hier stellt das Gesetz entscheidend auf die Transportveranlassung ab. Es kommt auch hier entscheidend darauf an, ob der letzte Abnehmer, indem er den Transport verantwortet, auch die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstandes während der Beförderung oder Versendung trägt.
5. Der Zwischenhändler befördert oder versendet, § 3 Abs. 6a Sätze 4 und 5 UStG
Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung nach § 3 Abs. 6a Satz 4 UStG der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.
Die gesetzliche Definition des Zwischenhändlers ist in § 3 Abs. 6a Satz 4 UStG geregelt. Diese Vorschrift bezeichnet als „Zwischenhändler“ einen Lieferer innerhalb der Reihe (mit Ausnahme des ersten Lieferers in der Reihe), der die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert. Wer selbst transportiert oder auf wessen Kosten ein Dritter versendet oder befördert, wer also die Transportverantwortung trägt, richtet sich danach, wer die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstandes trägt. Dieses Kriterium entscheidet einheitlich über die Zuordenbarkeit der Warenbewegung und über die Zusammensetzung der Zurechnungseinheit in der Reihe.
Rechtsfolge des § 3 Abs. 6a Satz 4 UStG ist die Zuordnung der Warenbewegung zu der Lieferung an den Zwischenhändler. Die Rechtsfolge der Zuordnung der Beförderung oder Versendung zu der Lieferung an den Zwischenhändler gilt aber nicht, wenn er nachweist, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.
6. Zwischenhandel mit Drittlandsgebiet, § 3 Abs. 6a Sätze 6 und 7
§ 3 Abs. 6a Sätze 6 und 7 UStG regelt nicht nur innergemeinschaftliche Reihengeschäfte, sondern auch Reihengeschäfte mit Drittlandsbezug, also Ausfuhren und Einfuhren. Dies geschieht also ohne unionsrechtliche Vorgabe im Interesse einer vereinfachten und bürokratiearmen Regelung.
Bei der Ausfuhr erfüllt der Zwischenhändler die Voraussetzungen des § 3 Abs. 6a Satz 4 UStG, wenn er gegenüber seinem Lieferanten nachweist, dass er im Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung der Ware für Umsatzsteuerzwecke steuerlich erfasst ist (§ 3 Abs. 6a Satz 6 UStG). Im Ergebnis ist daher die Regelung bei Ausfuhrreihengeschäften vergleichbar mit den Zwischenhändlerregelungen im Binnenmarkt nach § 3 Abs. 6a Sätze 4 und 5 UStG. Allerdings spielen hier die unionsrechtlichen Vorgaben keine Rolle.
Im Fall der Einfuhr kann der Zwischenhändler die gesetzliche Vermutung nach § 3 Abs. 6a Satz 7 UStG widerlegen, wenn er den Gegenstand der Lieferung in seinem Namen und auf seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet hat. In diesem Fall verlagert sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG ins Inland, so dass die Lieferung des Zwischenhändlers im Inland steuerbar ist, aber ggf. steuerbefreit sein kann. § 3 Abs. 6a Satz 7 UStG stellt aber im Gegensatz zu § 3 Abs. 8 UStG nicht auf das Kriterium „Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer“ ab.
7. Indizien im Zusammenhang mit Transport und Gefahr
Es kommt für das neue Recht darauf an, wer für den Transport verantwortlich ist, und vor allem wer die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstandes trägt. Handelsrechtliche Lieferkonditionen können darauf hinweisen, wer von den Beteiligten eines Umsatzes die Transportkosten, das Transportrisiko oder die Gefahr übernimmt. Hierzu können maßgeblich die Incoterms 2020 helfen.
Die Incoterms 2020 sind u.a.:
EXW – Ex Works/Ab Werk
FCA – Free Carrier/Frei Frachtführer
FAS – Free Alongside Ship/Frei Längsseite Schiff
FOB – Free On Board/Frei an Bord
CFR – Cost and Freight/Kosten und Fracht
CIF – Cost, Insurance and Freight/Kosten, Versicherung und Fracht
CPT – Carriage Paid To/Frachtfrei
CIP – Carriage, Insurance Paid To/Frachtfrei versichert
DAP – Delivered At Place/ Geliefert benannter Ort
DPU – Delivered At Place Unloaded/Geliefert benannter Ort entladen
DDP – Delivered Duty Paid/Geliefert verzollt
Ob in einem Abholfall (Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer) der Gegenstand vom Abnehmer bereits weiterverkauft ist und daher seiner Weiterlieferung die Beförderung in den anderen Mitgliedstaat oder in das Drittland zuzurechnen ist, ergibt sich aus den Incoterms nicht. Für die Zurechnung der Beförderung oder Versendung kommt es darauf an, wer den Transport veranlasst hat, d. h. wer den Transportauftrag im eigenen Namen erteilt hat. Der EuGH geht davon aus, dass der Transport vom Zwischenhändler durchgeführt worden ist, der sich zur Erfüllung seiner eigenen Transportverpflichtungen gegen Entgelt eines Fahrers und Lkw des Endabnehmers bedient hat.
Wen der Unternehmer zur Erfüllung seiner Transportverpflichtung im eigenen Namen beauftragt, ist unerheblich. Von der Frage, wer die Versendung veranlasst hat – d. h. in wessen Namen der Transport durchgeführt wird – zu unterscheiden ist, wer die Kosten der Versendung trägt. Wer zivilrechtlich bei einer Versendungslieferung das Risiko des Untergangs der Ware und wer die Kosten der Versendung trägt, ergibt sich z. B. aus den verwendeten gebräuchlichen Incoterms. Die Incoterms sind ebenso wie der zivilrechtliche Eigentumsübergang) oder die freiwillige Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber Beweisanzeichen für die Zuordnung des Transports.
Die Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK zu Leipzig für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handeltes sich um eine zusammenfassende Darstellung der fachlichen und rechtlichen Grundlagen, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es kann eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.