„Tiefschlag mit Dominoeffekt“
Dow-Rückzug aus Böhlen beträfe die Grundstoffindustrie – und damit die gesamte Wertschöpfungskette / IHK-Chef fordert „klares industriepolitisches Bekenntnis“
Leipzig, 25. April 2025 – Die heute bekannt gewordenen Sparpläne des Chemiekonzerns Dow Chemical und die Überlegungen zu möglichen Betriebsschließungen im mitteldeutschen Raum sind ein Alarmsignal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit dem Steamcracker in Böhlen ist der Kammerbezirk der IHK zu Leipzig direkt betroffen.
In Böhlen wird Rohbenzin durch thermisches Cracken in die chemischen Grundstoffe Ethylen und Propylen umgewandelt und in ein komplexes Rohrleitungsnetz eingespeist, das mehrere Standorte im mitteldeutschen Chemiedreieck miteinander verbindet. Eine Vielzahl von Produkten ist darauf angewiesen – von Kunststoffen über Spezialchemikalien bis hin zu alltäglichen Verbrauchsgütern, wie Windeln, Bauschaum, Klebstoffe und Verpackungen. Würde das Werk schließen, wäre die arbeitsteilige Produktion des Stoffverbundes unterbrochen.
„Was einmal abgeschaltet ist, kommt nicht zurück. Wenn ein Cracker wie in Böhlen vom Netz geht, verliert Deutschland nicht nur ein Werk – wir beschädigen eine industrielle Lebensader, mit Dominoeffekten für eine komplette Wertschöpfungskette“, schätzt Dr. Fabian Magerl, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig, ein.
Die energieintensive Grundstoffindustrie stehe auf der sprichwörtlichen Kippe, so Magerl weiter. Die Energiepreise sind im europäischen und globalen Vergleich seit Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig. Zum einen liege das an den geopolitischen Verwerfungen des Ukraine-Konflikts, zum anderen an den hohen Kosten für die Energiewende-Transformationen. Beide Entwicklungen verstärkten sich gegenseitig.
Die IHK zu Leipzig warnt eindringlich davor, die energieintensive Grundstoffindustrie zu vernachlässigen: „Deutschlands industrielles Rückgrat ist auf die Grundstoffe angewiesen. Wenn solche Betriebe abwandern, reißt das Lücken, auch in nachgelagerten Industrien, die weder kurz- noch mittelfristig zu schließen sind“, erklärt Magerl. Hochwertige Arbeitsplätze gingen verloren, was die regionale Kaufkraft, Innovationskraft und die gesellschaftliche Stabilität zu beeinträchtigen drohe.
Die IHK zu Leipzig fordert deshalb von der künftigen Bundesregierung, unmittelbar nach Amtsübernahme die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen zur Energiepreisstabilisierung und -senkung mit höchster Priorität umzusetzen. „Jetzt ist der Moment zum Handeln – bevor uns das Fundament wegbricht. Gerade Standorte wie Böhlen, die schon einmal erfolgreich transformiert wurden, verdienen in der gegenwärtigen Umbruchphase ein klares industriepolitisches Bekenntnis – statt schleichender Erosion“, appelliert Magerl an die Politik.