
Wenn der Vibe stimmt, übertrifft dies jede formale Anerkennung.
20. März 2025Am 9. April 2025 findet in der Alten Börse zu Leipzig die Frühjahrsveranstaltung von WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR statt. Eingeladen sind ab 19:00 Uhr die Jazz-Künstlerin Violet Greens mit Band und als Talkgast Director Career and Alumni Relations an der HHL Leipzig Graduate School of Management Katja Rösener. Der Eintritt ist frei. Wir sprachen mit Violet Greens über Jazz, Kooperationen, die wirtschaftliche Lage von in Leipzig beheimateten Künstlerinnen, Wertschätzung und den Stellenwert von Kunst und Kultur als Standortfaktor.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Violet Greens. Sie treten mit Ihrer Band am Mittwoch, dem 9. April 2024 im Rahmen der Veranstaltungsreihe WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR auf. Dabei präsentieren sie „Violet Greens Swaggz The Swing“. Ich hörte, dass das Programm mit der großen Billie Holliday (wir erinnern uns alle an „Strange Fruit“, „Long Gone Blues“ oder auch an „My Man“) zu tun hat. Stimmt das und wenn ja, was hat das Programm denn mit ihr zu tun?
Violet Greens: Guten Tag, Herr Hartmann-Tanner. Zunächst möchte ich mich herzlich für das Interview bedanken und bei Christian Schierwagen vom LeipJAZZig e. V. für die wertvolle Gelegenheit, im Rahmen der Kooperation mit der IHK zu Leipzig bei der Veranstaltungsreihe „WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR“ auftreten zu dürfen.
Billie Holiday zählt zu meinen größten Inspirationen, musikalischen Einflüssen und hat mich sowohl künstlerisch als auch biografisch tief geprägt. Bereits seit meiner Jugend setze ich mich intensiv mit ihrem Werk auseinander. Nicht nur ihre unverkennbare Stimme und ihr einzigartiges Phrasing beeindrucken mich, sondern vor allem ihre außergewöhnliche Fähigkeit, Emotionen mit einer solchen Tiefe und Ehrlichkeit zu vermitteln, dass sie unmittelbar berühren und zum Nachdenken anregen. Ihr Leben war von schweren Schicksalsschlägen und tief verwurzeltem Rassismus geprägt („Für die Weißen war ich zu schwarz, für die Schwarzen zu weiß“), ebenso wie von ihrer unermüdlichen Suche nach Anerkennung und Liebe. In unserem Programm spielen wir Left Alone, einen Song, den sie gemeinsam mit Mal Waldron komponierte. Der Text ist von einer bedrückenden Intensität, fast wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Tragischerweise konnte sie ihn vor ihrem Tod nicht mehr selbst aufnehmen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Sie selbst sind seit 2009 professionell als Künstlerin tätig. Dabei sind Sie nicht nur regional, sondern auch über unsere Landesgrenzen bis hin nach Vilnius, Riga, Taichung in Taiwan oder Bukarest aktiv. Wie ist denn die derzeitige wirtschaftliche Lage für in Leipzig beheimatete Künstlerinnen?
Violet Greens: Vermutlich hängt vieles davon ab, wie etabliert man bereits ist und ob man sich in der Szene schon einen Namen gemacht hat. Ich hatte das „große Glück“, mitten in der COVID-19-Pandemie meinen Masterabschluss in Jazzgesang zu absolvieren. Der darauffolgende Sprung in die Selbstständigkeit glich daher eher einem unkontrollierten Stolpern. Die Krise hat schonungslos offengelegt, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft einnehmen. Clubs hatten lange Wartelisten, Auftritte stauten sich, und oft wurden etablierte Bands bevorzugt. Die Auswirkungen sind bis heute spürbar. Ein erfahrener und renommierter Musiker erzählte mir kürzlich, dass er nun Corona-Hilfen in Höhe von 10.000 Euro zurückzahlen muss. Es hat also alle getroffen. Das alles muss man erst einmal verarbeiten. Aber sagen wir es so: Ich blicke zuversichtlich nach vorne.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wo sehen Sie die größten Hemmnisse für Ihre Arbeit und wer und wie könnte diese abstellen?
Violet Greens: In den vergangenen Jahren habe ich mir eine stoische Resilienz angeeignet. Ich bin überzeugt, dass viele Musikerinnen und Musiker mit tiefen Selbstzweifeln und dem Impostor-Syndrom ringen – ein Ergebnis eines Perfektionismus, der fast in Obsession und Fanatismus übergeht, während sie sich ständig mit etablierten Künstlerinnen und Künstlern messen. Dabei wird oftmals übersehen, dass deren Erfolg häufig weniger auf rein künstlerischem Schaffen beruht, sondern auch auf Vetternwirtschaft, wertvollen Kontakten oder aber auch einem beschwerlichen, unsichtbaren Weg, der hinter den flüchtigen Momentaufnahmen der sozialen Medien verborgen liegt. All dies verliert jedoch an Bedeutung, wenn man sich an die Zeit zurückerinnert, in der Musik allein um ihrer selbst willen gemacht wurde. Gelingt es, jenes magische Gefühl wieder aufleben zu lassen, steht einem alles offen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die Gastronomie, die Hotellerie und Tourismusbranche, die Kulturstätten, die weichen Standortfaktoren … all diese hängen mit einer kreativen, starken Kunst- und hier speziell Musikszene zusammen. Gerade hier für Leipzig: Wie fühlen Sie sich gewertschätzt? Gibt es Unterstützung Ihrer Arbeit?
Violet Greens: Wertschätzung beginnt bereits im unmittelbaren Umfeld. Eine zentrale Rolle spielte während meines Studiums dabei das Mentoring-Programm (Das Programm geht sowohl auf die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung als auch auf die Vermittlung grundlegender nicht-künstlerischer Inhalte durch hochschulexterne Expertinnen und Experten ein und greift zudem den berufsfördernden Netzwerkgedanken auf) unter der Leitung von Carmen Thiel, sowie das besonders wertvolle Fach Musikbusiness unter der Leitung von Patrick Gertis an der HMT, das mich maßgeblich auf die Selbstständigkeit vorbereitet hatte. Darüber hinaus habe ich große Unterstützung durch Kreatives Sachsen erfahren – eine Institution, die nicht nur wertvolle Beratungsgespräche anbietet, sondern auch weiterbildende Online-Kurse für Kunst- und Kreativschaffende zur Verfügung stellt. Ihre Arbeit ist von unschätzbarem Wert, da sie Künstlerinnen und Künstlern nicht nur Orientierung, sondern auch konkrete Hilfestellungen bietet, um sich nachhaltig in der Branche zu etablieren.
Ein weiterer wichtiger Kontakt entstand durch meine ehemalige Klavierlehrerin und herausragende Musikerin Lora Kostina, die mich mit LeipJAZZig in Verbindung brachte. Im Rahmen des von LeipJAZZig veranstalteten Festivals hatten wir bereits die Gelegenheit aufzutreten, und dank dieser Zusammenarbeit spielen wir nun auch das Konzert am 9. April 2025.
WIRTSCHAFT ONLINE: Und in der Vernetzung? Kunst ist immer etwas diktatorisch; in der Regel funktioniert die Kompromisssuche in kollektivistisch organisierten Kunstproduktionen eher schwerfällig und verwässernd (es gibt Ausnahmen!). Funktioniert die Vernetzung in Leipzig gut? Wie ist diese aufgestellt? Oder müssen Sie am Markt eher als Einzelkämpferin agieren?
Violet Greens: Ich glaube, letztlich ist man in der Kunstbranche immer ein Stück weit Einzelkämpferin. Niemand klopft an die Tür und überreicht einem einfach so einen Label-Vertrag. Der erste Schritt besteht darin, Eigeninitiative zu zeigen und ein belastbares Netzwerk aufzubauen. Oft entscheidet nicht allein Talent über den Erfolg, sondern eine Mischung aus Glück, Erfahrung und „Vitamin B“. Soziale Medien bieten in diesem Kontext eine wertvolle Chance, Sichtbarkeit zu erlangen und Reichweite zu generieren.
Aktuell verfolge ich eine zweigleisige künstlerische Ausrichtung: Zum einen führe ich eine Swing-Band, zum anderen produziere ich Songs im Bereich Neo-Soul, R&B und Hip-Hop. Durch Eigeninitiative konnte ich ein Feature mit dem aufstrebenden US-Rapper Slim Guerilla für meine Single Fallin’ realisieren und somit gezielt eine überregionale Vernetzung anstoßen. Das Wesentliche in diesem Prozess ist Geduld und ein langer Atem. Doch alles in allem würde ich sagen, dass ich bereits gut vernetzt bin.
WIRTSCHAFT ONLINE: „Violet Greens Swaggz The Swing“ kredenzen Sie mit Band. Können Sie uns bitte etwas zu Ihren Mitmusikern erzählen?
Violet Greens: Die aktuelle Band setzt sich überwiegend aus Musikern zusammen, die ich während meines Masterstudiums im Fach Jazzgesang an der HMT Leipzig kennenlernen durfte. Ihre außergewöhnliche musikalische Ausdruckskraft schätze ich zutiefst. Einige, wie Florian Müller am Kontrabass und Uli Huebner am Saxophon, sind in Ensembles aktiv, die unter anderem mit dem renommierten Leipziger Jazzpreis ausgezeichnet wurden. Für mich jedoch sind Titel und Ehrungen zweitrangig. Ausschlaggebend ist der authentische musikalische Ausdruck, das feine Gespür für den Augenblick und die gemeinsame Energie. Wenn der Vibe stimmt, übertrifft dies jede formale Anerkennung.
Ich freue mich sehr darauf, mit Robbi Nakayama (Klavier), Jan Roth (Schlagzeug) sowie Uli Hübner und Florian Müller auf den Brettern zu spielen, die für uns die Welt bedeuten.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die engen Abhängigkeiten von Kunst und Wirtschaft sind augenscheinlich, gerade in der Region Leipzig. Hier geht es über Sponsoring von Veranstaltungen, Bespielung von Firmenbällen etc. auf der einen Seite sowie Imagepflege und Aufmerksamkeitsschaffung für den Standort auf der anderen Seite verwebend zu. Wie partizipieren Sie als Künstlerin von der Wirtschaft unserer Stadt? Sie könnten ja auch in einem kleinen Ort in Niedersachsen leben, so ohne BMW, Porsche, Messe und so weiter.
Violet Greens: Leipzig ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell eine unglaublich dynamische Stadt – und beides beeinflusst einander. Natürlich profitiere ich als Künstlerin von der wirtschaftlichen Infrastruktur, sei es durch die Unterstützung von Veranstaltungen oder die vielfältigen Auftrittsmöglichkeiten, die eine Stadt mit dieser Strahlkraft bietet. Aber es ist nicht nur eine Einbahnstraße: Kunst und Kultur tragen wiederum zur Identität und Attraktivität des Standorts bei, was wiederum Unternehmen, Fachkräfte und Touristen anzieht. Ein pulsierender Kulturstandort macht eine Stadt erst wirklich lebenswert. Und genau das ist Leipzig für mich.
So ganz nebenbei: Also, falls sich ein Mäzen oder eine Mäzenin der Region angesprochen fühlt, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme natürlich sehr freuen! Spaß beiseite – auch wenn es meiner Eitelkeit als Jazz-Sängerin durchaus schmeicheln würde, in einem Vintage Chevy Impala vorzufahren, bin ich derzeit noch auf Tram und Bahn angewiesen. Glücklicherweise komme ich damit überallhin, wo es darauf ankommt. Mit der Linie 4 etwa erreicht man bequem die Leipziger Oper, wo im Herbst die renommierten Jazz-Tage stattfinden – ein Ereignis, auf das ich mich schon jetzt besonders freue.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, liebe Violet Greens, für die Zeit und die Antworten. Und wie ABBA schon so schön sangen: „Thank you for the Music!“ Wir sehen uns am 9. April 2025 in der Alten Börse.
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