Weil wir weiterdenken!
23. August 2023Gespräch mit dem Geschäftsführer der Keßler Real Estate Solutions GmbH, André Keßler
Der Transformationsprozess, auch der hiesigen Unternehmen, hin zum nachhaltigeren Wirtschaften, nimmt immer mehr Fahrt auf. Es gibt viele Stellschrauben, an denen justiert werden kann. André Keßler, Geschäftsführer der Keßler Real Estate Solutions GmbH, berichtet im Interview mit WIRTSCHAFT ONLINE von seinen Ansätzen. Einer der Ansätze ist ein Wiederbewaldungs-Projekt in Thailand. Doch André Keßler hat noch viel mehr zu erzählen:
WIRTSCHAFT ONLINE: Wir erfuhren, dass Sie im Herbst 2022 ein freiwilliges Energieaudit nach DIN EN 16247 in Ihrer gemeinsamen Büroetage von Keßler Solutions und der Kessler-Tochter BCS GmbH durchgeführt haben. Was versteht man unter diesem Audit und was waren die Ergebnisse?
André Keßler: Ein Energieaudit ist nach der europäischen Norm DIN EN 16247 eine „systematische Inspektion und Analyse des Energieeinsatzes und des Energieverbrauchs einer Anlage, eines Gebäudes, eines Systems oder einer Organisation mit dem Ziel, Energieflüsse und das Potenzial für Energieeffizienzverbesserungen zu identifizieren und über diese zu berichten“. Für viele Unternehmen ist ein Energieaudit alle vier Jahre verpflichtend, um Optimierungsmaßnahmen zu Energieeinsparung festzulegen, umzusetzen und zu kontrollieren.
Wir, Keßler Real Estate Solutions GmbH und BCS GmbH, haben den Energieaudit 2022 freiwillig und eigenständig für uns durchgeführt: Die Keßler Solutions und die BCS verfügen über vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zertifizierte Energieauditoren. Das Ziel des Energieaudits war vor allem herauszufinden, welchen Footprint wir aktuell hinterlassen und hier insbesondere, wie viel CO? wir als Unternehmen erzeugen. Es ist wichtig, eigene Einsparpotenziale als Unternehmen zu erkennen und diese gezielt zu optimieren.
Als ein Ergebnis zeigte sich ein auffällig hoher Stromverbrauch. Dieser ist vor allem auf die Branche von Keßler Solutions zurückzuführen: Das Unternehmen entwickelt CAFM-Software und alle Mitarbeitenden verbrauchen entsprechende Rechnerleistung; im Falle mobilen Arbeitens teils sogar parallel im Büro und im Home-Office. Ebenso war der CO?-Fußabdruck recht groß. Als Grund konnte hier die Bausubstanz des Bürogebäudes identifiziert werden, z. B. höherer Heizungsverbrauch durch veraltete Fenster.
WIRTSCHAFT ONLINE: Warum haben Sie das Energieaudit durchführen lassen? André Keßler: Kurz gesagt: Weil wir weiterdenken. Wir sind als Unternehmensgruppe davon überzeugt, dass alle einen Teil dazu beitragen können, dem Klimawandel entgegenzuwirken. CO?-Neutralität und Klimaschutz betreffen uns alle, denn es geht um unsere Zukunft und die unserer nachfolgenden Generationen. Wir sprechen hier schon lange nicht mehr von „einem Trend“, der beispielsweise zu einem nachhaltigen Unternehmensimage, Lieferantenlistung usw. beiträgt. Es geht darum, selbst aktiv zu werden, und anderen damit aufzuzeigen, was alles möglich ist. Zudem haben wir die Chance, andere dabei zu unterstützen. Sei es mit unseren Tools, mit Beratungsleistungen oder einfach mit unseren Erfahrungen und Expertise (insbesondere über kostenfreie Web-Events zu nachhaltigem Management. Mitschnitte gibt es hier!
Viele Unternehmen sind bereits heute gesetzlich zu einem Energieaudit oder adäquaten Maßnahmen verpflichtet. Die Anzahl deutscher, europäischer und internationaler Richtlinien und Verordnungen wächst stetig. Dies dient insbesondere dem überaus wichtigen Ziel des Klimaschutzes. Aber auch ohne diesen Druck von außen nehmen wir im Unternehmen die wachsende Eigeninitiative bei unseren Kunden und Interessenten wahr und unterstützen sie sehr gern bei der Entwicklung und Umsetzung von geeigneten Maßnahmen.
„Der Mensch hat schon seit jeher Einfluss auf seine Umwelt und seine Zukunft! Nachhaltige Unternehmensführung und gesellschaftliche Verantwortung sind vor allem eine Frage der Einstellung und des Handelns, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Wir, als Keßler Group, schauen nicht weg und nehmen unsere Zukunft und die der folgenden Generationen ernst. Wir alle haben es in der Hand – auch mit kleinen Schritten können wir gemeinsam Großes erreichen.“ [Zitat Gilfe Tweer, Leiterin Fachteam Nachhaltigkeit]
Es ist uns eine Herzensangelegenheit und daher große Motivation, die Keßler Group nachhaltig zu gestalten. Das Energieaudit im eigenen Haus reiht sich da ganz einfach in die Unternehmensentwicklung ein. Das Thema Nachhaltigkeit war in dieser nie wegzudenken, sei es generell als Weg zur papierlosen Verwaltung durch konsequente Digitalisierung, die Listung des CAFM-Systems FAMOS bei der BAFA als Energiemanagementsoftware (seit 2014) oder die Zertifizierung nach gefma-Katalog Umweltschutzmanagement (seit 2014). Die Gründung der Tochter BCS (2015) erweiterte das Portfolio um Services zu Energie- und Umweltprozessen. Das 2021 aufgestellte Fachteam Nachhaltigkeit entwickelte das Sustainability Management Modul, welches unter anderem dem ESG-Reporting dient. Zum Team der Keßler Group gehören mittlerweile Energieauditoren, Umweltmanagementbeauftragte und eine CSR- und Nachhaltigkeitsmanagerin (TÜV, DEKRA).
WIRTSCHAFT ONLINE: 2023 wurden erste Schritte unternommen. Welche waren dies?
André Keßler: Dieses Jahr wurden und werden die Modernisierung der Bürobeleuchtung durch Umrüstung auf LED sowie (erweitert auf den Fuhrpark) die schrittweise Umstellung auf E-Autos als Optimierungsmaßnahmen bei den Ressourcenverbräuchen umgesetzt. Mit dem Vermieter laufen intensive Gespräche bezüglich der Sanierung der Gebäudesubstanz – im Juli gab es dahingehend bereits eine Prüfung der Fenster. 2023 konnte ebenso das interne Vorhaben zur kompletten Digitalisierung des Projektdurchlaufes abgeschlossen werden. Das bereits jahrelang praktizierte, möglichst papierlose Arbeiten wurde dieses Jahr um die Entscheidung ergänzt, keine Anzeigen mehr in Printmedien zu schalten und nur noch die digitalen Kanäle der Medienpartner zu nutzen. Zusätzlich erfolgt die Kompensation von CO? durch die Unterstützung des Wiederbewaldungsprojektes Reforest The World gUG in Thailand.
WIRTSCHAFT ONLINE: Genau. Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen: Sie unterstützen mit dem Projekt „Jeder Tag ein Baum“ das Wiederbewaldungs-Projekt „Reforest The World gUG“ in Thailand. Wieso dieses? Wieso Thailand? In unserer Gegend gibt es ja auch großartige Projekte, wie den Bachwald von Michael Maul.
André Keßler: Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von großartigen Renaturierungs-Projekten, wie auch den Bachwald von Professor Maul. Uns war es in diesem Zusammenhang jedoch besonders wichtig, das Engagement unseres eigenen Teams zu fördern: Unsere Marketing-Managerin Katharina Bretschneider hat das Wiederbewaldungsprojekt in Thailand mitgegründet. Natürlich haben wir sie sehr gern dabei unterstützt – jeder neu gepflanzte Baum hilft schließlich, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, egal wo er wachsen darf. Auch wenn Thailand einen großen Vorteil hat: Jörg aus dem Projekt vor Ort hat uns erklärt, dass tropische Wälder viel schneller wachsen als Wälder in Mitteleuropa. Entsprechend mehr CO? wird im gleichen Zeitraum von tropischen Bäumen aufgenommen und gespeichert.
Unsere Kunden im Immobilien- und Bausektor unterstützen wir zudem bei ihren eigenen Projekten, beispielsweise die Stadt Leipzig mit dem Baumkataster oder Continental bei der Umsetzung ihrer „Green Plant Factory“. Damit tragen wir gemeinsam einen Teil zur Erreichung der globalen Sustainable Development Goals (SDGs) bei, beispielsweise zu Ziel Nummer 11 nachhaltige Städte und Gemeinden oder Ziel Nummer 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur.
Es sei uns der Hinweis erlaubt (auch wenn wir unsere Mitarbeiterin und ihr Projekt unabhängig davon unterstützen würden), dass die Förderung von Mitarbeitenden und ihren Kompetenzen ebenso zu den Kernthemen und Handlungsfeldern der CSR (Corporate Social Responsibility = Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung) gehören, wie der Schutz der Umwelt. Bereits 2021 haben wir das Gefüge von Umwelt, Sozialem, und Unternehmensführung (aka. ESG, Environmental Social Governance) im Whitepaper „ESG-Maßnahmen umsetzen durch CAFM-Lösungen“ ausführlich thematisiert und eigene Maßnahmen definiert. Die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements und von Reforest The World ist seitdem beschlossen und wird im Unternehmen gelebt.
WIRTSCHAFT ONLINE: Es wird eine 60-jährige Schutzzeit mit den Arealbesitzern vereinbart. Was geschieht danach mit den Bäumen? Werden diese dann zu Schränken, die wieder nach Europa verschifft werden? Wie wird Nachhaltigkeit gewährleistet?
André Keßler: Die Initiative für die Wiederbewaldung kam aus Thailand, weil es dort viele fragmentierte Waldflächen gibt. Die Menschen vor Ort sensibilisieren sich selbst zunehmend für Umwelt- und Klimathemen. So werden dem Projekt teils kostenfrei nicht mehr genutzte Anbauflächen für die Wiederbewaldung zur Verfügung gestellt und das Interesse an der Arbeit des Projektes ist wirklich groß. Das ist eine überaus positive Entwicklung, die es ja auch in Europa gibt.
Jörg vom Projekt sagte uns zur Frage der WIRTSCHAFT ONLINE:
„Wir von Reforest The World haben es natürlich lieber, wenn das Holz (langfristig) im Wald bleibt. Deswegen sprechen wir auch lieber von Wiederbewaldung, statt von Aufforstung. Allerdings weiß hier wie dort niemand, was in 60 Jahren sein wird, oder wie sich der Klimawandel generell auf den Erfolg von Pflanzprojekten auswirken wird. Also kann diesbezüglich kaum eine valide Aussage getroffen werden.“
Betrachtet man die globalen Klimaziele bis 2030, das EU-Klimaschutzpaket „Fit for 55“ oder den deutschen Klimaschutzplan 2050, spielt das Jahr 2083 nach der 60-jährigen Schutzzeit aktuell eine eher untergeordnete Rolle. Erst einmal müssen die gesteckten Ziele der kommenden 30 Jahre geschafft werden, danach gilt es, das Erreichte zu festigen und auszubauen. Alle können dazu beitragen, wir machen dies unter anderem auch weiterhin mit der Unterstützung von Reforest The World – es wird nicht bei 365 Bäumen und diesem Jahr bleiben.
WIRTSCHAFT ONLINE: 365 Bäume klingt jetzt nicht wirklich so groß, trotzdem ist die Wirkung faszinierend. Wie viele Tonnen CO₂ pro Jahr können denn gefiltert werden, allein von den 365 Bäumen, die in Thailand gepflanzt wurden und werden?
André Keßler: Jörg von Reforest The World hat uns eine konkrete Aufrechnung erstellt, damit unsere Kompensation nachvollziehbar wird. Das CO₂-Speichervolumen eines Baumes wird berechnet mit Holzdichte / 2 (C-Anteil) x 3,67. So kann über die Holzdichte für jede Holzart die CO₂-Speicherung berechnet werden.
Rechenbeispiel für die in Deutschland heimische Rotbuche:
- Darrdichte 680 kg/m; Kohlenstoffanteil (C) ca. 50 %
- 680 kg/m³ : 2 = 340 kg C/m³
- Umrechnungsfaktor: 340 kg C × 3,67 = 1.248 kg CO₂
- 1 m³ Buchenholz speichert also ca. 1,25 Tonnen CO₂
Die Dichte von in Thailand verpflanzten Teakhölzern liegt zwischen 750 kg/m³ und 1000 kg/m³, die von Eisenhölzern kann sogar bis zu 1.200 kg/m³ erreichen.
Leichter verständlich, aber nicht ganz so sicher, ist die Annäherung über die Fläche: Eine Angabe aus der Literatur, die Jörg als zutreffend einschätzt, ist, dass 1 ha Tropenwald im Jahr ca. 12 t CO₂ absorbiert. 365 Bäume nehmen eine Fläche von ca. 2.650 m² ein, was etwas mehr als 1⁄4 Ha ist.
Beide Herangehensweisen beziehen sich im Durchschnitt auf 30 Jahre Wachstumszeit.
WIRTSCHAFT ONLINE: Und was geschieht mit dem Baum-Nachwuchs? Wenn wir Wälder betrachten, die natürlich wachsen, dann gibt es ja auch immer rund um die älteren Bäume aus ihnen resultierende junge Bäume.
André Keßler: Die Areale in Thailand werden drei Jahre regelmäßig gepflegt, d. h. der Boden wird von Wildwuchs befreit, der den jungen Bäumen das Licht nimmt, oder dass Triebe beschnitten oder die Erde aufgelockert wird. Nach drei Jahren sind die Jungbäume bereits genug gewachsen, um sie der Sukzession zu überlassen. Danach geht alles seinen natürlichen Gang und der Wald erneuert sich selbst. Angestrebt ist, dass die wiederbewaldeten Fragmente irgendwann nicht mehr vom sie umgebenden Urwald zu unterscheiden sind.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wir müssen den ganzen Planeten als ein ineinander verflochtenes Ökosystem betrachten. Handlungen in Europa haben Auswirkungen auf Asien und Abholzungen in Brasilien auf die Klimastrukturen im Mittelmeerraum. Was können Sie noch tun oder was wollen Sie demnächst in dieser Richtung noch tun?
André Keßler: Wir werden unsere eigenen Maßnahmen weiterverfolgen und ausbauen. Dafür werden wir bspw. neue Forschungsprojekte initiieren, zum Beispiel beim AiF-InnovatorsNet, welches noch in diesem Jahr startet.
Wir sensibilisieren Kunden, Partner, Interessenten wie Mitarbeitende für die vielen Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten. Und wir unterstützen die, welche bereits aktiv sind: So haben wir auch Kunden, die global unterwegs sind und entsprechend das weltweite Ökosystem im Blick haben müssen. Die Bau- / Immobilienbranche hat hier große Potenziale – Chancen wie Optimierungsbedarfe. Hier klären wir weiter auf, zum Beispiel zu den Vorteilen des digitalen Zwilling für Sanierungen und Materialnachweise. Mit unserer Unternehmensgruppe haben wird den Fokus auf innovativen, digitalen Lösungen, um Maßnahmen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit langfristig in allen Bereichen zu etablieren.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke sehr, für Ihre Zeit und Ihr Engagement.
André Keßler: Ich bedanke mich sehr für das Interesse an unserem Engagement und hoffe, viele damit inspirieren zu können.
Bei Fragen hilft Ihnen die Redaktion der WIRTSCHAFT ONLINE gerne weiter.