Thomas Popp Staatssekretaer Sachsen
Onlinezugangsgesetz in Sachsen

Im Gespräch mit Staatssekretär und CIO Prof. Thomas Popp

05. Januar 2023

„Proaktiv mitgestalten und nicht mit viel Energie verhindern“

Ganz vorn bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, speziell in Sachsen, steht Prof. Thomas Popp. Der 1961 in Schweinfurt geborene Politiker hatte seit 2005 verschiedenste Funktionen in Sächsischen Staatsministerien sowie der Sächsischen Staatskanzlei inne. Seit 2018 ist Popp Amtschef der Sächsischen Staatskanzlei und verantwortlich für die Stabsstelle „Landesweite Organisationsplanung, Personalstrategie und Verwaltungsmodernisierung“. Mit Wirkung zum 1. August 2018 erfolgte darüber hinaus die Ernennung zum Beauftragten für Informationstechnologie (Chief Information Officer – CIO) des Freistaats Sachsen. Wir sprachen mit ihm über die sächsischen Verhältnisse.

WIRTSCHAFT: Sie sind mittendrin in der Umsetzung des OZG. Wo steht Sachsen denn gerade?

Prof. Thomas Popp: Wir haben gute Fortschritte gemacht. Für das BAföG gibt es z.B. eine zentrale Onlineanwendung des Bundes, die wir einsetzen. Das „Meister-BAföG“, die Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, ist über ein flächendeckendes Landesverfahren verfügbar. Leistungen mit Unternehmensbezug, wie i-KfZ, gibt es bereits bzw. es wird an der flächendeckenden Verfügbarkeit gearbeitet. Unser Serviceportal Amt24 ist für diese Leistungen die zentrale digitale Anlaufstelle. Einen besonderen Schub für digitale Verfahren erhoffen wir uns von den Einer-für-Alle-Leistungen. Das sind z.B. das Wirtschafts-Service-Portal aus Nordrhein-Westfalen oder die digitale Bauverwaltung aus Mecklenburg-Vorpommern, die wir nach Prüfung auch in Sachsen anbieten wollen.

WIRTSCHAFT: Wie haben der Krieg in der Ukraine und die Pandemie die Umsetzung des OZG beeinflusst?

Prof. Thomas Popp: Einerseits gelang ein relativ reibungsloser Übergang zu volldigitalen Arbeitsformaten. Dies wäre ohne die Ausnahmesituation in der Pandemie unmöglich gewesen. Besonders wirksam war das, um die bisher eher theoretisch beschriebenen digitalen Mehrwerte einer umfänglichen digitalen Arbeits- und Verwaltungswelt im Praxistest für viele selbst erlebbar zu machen. Dadurch konnten wir auch bei vielen skeptischen und zurückhaltenden Bediensteten und Führungskräften ein neues Verständnis erreichen, wie dringlich und systemrelevant gute digitale Rahmenbedingungen sind. Andererseits führte die Ausnahmesituation dazu, dass ursprüngliche Zeitpläne angepasst und Ressourcen neu priorisiert wurden. Trotzdem konnten wir neue digitale Verfahren durch den gestiegenen Bedarf in der Pandemie entwickeln, beispielsweise für Entschädigungszahlungen nach Infektionsschutzgesetz. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands gegen die Ukraine hat im Bereich der Digitalisierung einerseits den Fokus wiederum auf ganz praktische Hilfen für Flüchtlinge gelenkt. Hier konnten wir z. B. über digitale Informationsportale und ein spezielles Online-Antragsverfahren für Aufenthaltstitel unterstützen. Auch die Informationssicherheit ist durch die Kriegssituation und diverse Hackerangriffe wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Unsere digitale Infrastruktur zu schützen, gehört ebenso zur erfolgreichen Digitalisierung wie nutzerfreundliche Anwendungen verfügbar zu machen.

WIRTSCHAFT: Die Umsetzung des OZG ist eine Kollektivleistung. Für welchen Part ist Sachsen zuständig?

Prof. Thomas Popp: Ein arbeitsteiliges Vorgehen, das Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) wurde vereinbart. Demnach entwickelt ein Land Online-Angebote und die anderen Länder können diese nachnutzen. Sachsen ist für die EfA-Leistungen im Themenfeld „Recht und Ordnung“ zuständig. Dazu gehören die Leistungen „Naturkatastrophen“, „Online-Anzeige“ und „Fundsachen“. Für die „Online-Anzeige“ werden wir die bereits praxiserprobte Lösung „Online-Wache“ aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz so ausbauen, dass daraus bis Jahresende ein bundesweit nutzbares Verfahren wird. Für Verwaltungsleistungen rund um „Fundsachen“ arbeiten wir derzeit an einer Ausschreibung, um diese digital abbilden zu können. Zudem unterstützen wir Rheinland-Pfalz bei der Leistung „Erdaufschluss“, für die unsere bereits erfolgreich eingeführte Leistung ELBA.Sax zu einer bundesweiten Leistung ausgebaut wird. Für das Bezahlsystem ePayBL entwickelt unser landeseigener IT-Dienstleister, der Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste, die bundesweite Standardschnittstelle, um Online-Verfahren anzubinden.

Thomas Popp am Stand der Digital-Lotsen-Sachsen auf dem IT- und Organisationsforum 2022 (© Annett Weigelt) 

WIRTSCHAFT: Wie viele Menschen sind eigentlich in Sachsen derzeit mit der Umsetzung des OZG beschäftigt und in welchen Strukturen?

Prof. Thomas Popp: Es wäre nicht sachgerecht, die Frage mit einer einfachen Zahl zu beantworten. Mindestanforderung ist, dass Jeder erkennt, dass wir für eine arbeitsfähige Verwaltung in Zukunft digitale Werkzeuge brauchen. Diese sollten wir proaktiv mitgestalten und nicht mit viel Energie verhindern. Das ist der grundlegende Erfolgsfaktor, mit dem die Projekt- und Digitalisierungsexperten für die Umsetzung immer wieder motivieren, begleiten und auch mal unterstützen. In der Staatskanzlei gibt es dafür ein Referat mit derzeit elf Bediensteten. Zusätzlich bündelt in jedem Ministerium je ein OZG-Koordinator die jeweiligen digitalen Fachthemen. Auch über die Grenzen der staatlichen Verwaltung hinaus in den Kommunen gibt es viele Kolleginnen und Kollegen, die Berührungspunkte zur Digitalisierung haben, allen voran die Digital-Lotsen-Sachsen und Digital-Navigatoren. Natürlich zählen auch interne und externe Dienstleister zu den maßgeblich Beteiligten. Allein durch die Fülle der genannten Beteiligten wird deutlich, wie viel Aufwand darin steckt, diese neben der inhaltlichen Arbeit auch zielgerichtet zu koordinieren und mit ihnen zu kommunizieren.

WIRTSCHAFT: Gerade für Unternehmen ist das OZG, wenn es denn dereinst umgesetzt ist, eine Erleichterung. Können Sie uns bitte sagen, welche Angebote konkret für Unternehmen relevant sind?

Prof. Thomas Popp: Für sächsische Unternehmen sind sicher die digitale Beantragung von Baugenehmigungen ein wichtiges Angebot. Hierfür wird die EfA-Leistung bis Jahresende in Sachsen verfügbar sein. Auch die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen, die unter Federführung Nordrhein-Westfalens entwickelt wird, könnte in Zeiten des Fachkräftemangels für heimische Unternehmen interessanter werden.

Von den Leistungen, die in Sachsen zentral entwickelt wurden, stehen aktuell beispielsweise Gewerbeerlaubnisse und Tätigkeitsanzeigen, der Auszug aus dem Altlastenkataster, die Sondernutzung für Veranstaltungen im öffentlichen Verkehrsraum, aber auch die Baumfällgenehmigung bereit. Sie können von den zuständigen Stellen in den Kommunen eingeführt werden.

Derzeit erlaubt das OZG, die Schriftform durch die ELSTER-ID zu ersetzen. Wir hoffen, dass dies mit dem kommenden OZG 2.0 verlängert wird. Ebenfalls erleichtert das Unternehmenskonto auf ELSTER-Basis die Arbeit. Es soll künftig im Serviceportal Amt24 für elektronische Verwaltungsleistungen genutzt werden.

Besonders freut mich die bundesweite Zusammenarbeit der IHKs im Bereich des OZG. Ähnlich wie mit dem EfA-Prinzip von Bund und Ländern können so Ressourcen zielgerichtet eingesetzt und von guten Lösungen anderer profitiert werden. Ein nachahmenswerter Ansatz auch für andere Bereiche der Zusammenarbeit.

Für den Freistaat Sachsen ist eine moderne digitale Verwaltung ein politisches Schwerpunktthema. Das OZG war und ist ein starker Innovationstreiber, der über das Jahresende 2022 hinauswirken wird.

Die Sächsische Staatskanzlei im Netz:

www.sk.sachsen.de

Tipp der Redaktion: Podcast „Wirtschaft+“, Folge 3: Jenny Krick im Interview über das Onlinezugangsgesetz

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Porträt Jenny Krick

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