„Es geht um die unternehmerische soziale Verantwortung.“
09. Februar 2023Gespräch mit Iven Kurz, CEO der EVERGREEN GmbH
Die Leipziger EVERGREEN GmbH hat als eines der ersten FinTechs Deutschlands einen eigenen CSR-Report veröffentlicht. Darin werden alle Aspekte der Nachhaltigkeit thematisiert und wie das Unternehmen einen positiven Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft schafft. WIRTSCHAFT ONLINE fragte nach und Iven Kurz, CEO der EVERGREEN GmbH, antwortete ausführlich.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Kurz. Sie sind Gründer und CEO bei EVERGREEN. Am 15. November 2022 haben sie als eines der ersten FinTechs in Deutschland einen CSR-Report veröffentlicht. Was ist das denn: ein CSR-Report?
Iven Kurz: Ja, das stimmt. Es macht uns stolz hier eine Vorbildfunktion einzunehmen, immer verbunden mit dem Wunsch, dadurch weitere FinTechs zu ermutigen, transparenter über ihre CSR-Aktivitäten zu berichten. Ein CSR-Report gibt im Wesentlichen Aufschluss über die sozialen und nachhaltigen Aktivitäten einer Firma. Das CSR steht in diesem Fall für Corporate Social Responsibility, also die unternehmerische soziale Verantwortung. Genau darum geht es in einem CSR-Report. Denn Unternehmen, so sehen wir das bei EVERGREEN zumindest, haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Mit unserem Report möchten wir transparent darstellen, wie wir dieser Verantwortung nachkommen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Da kommen wir natürlich sofort auf die Unternehmensphilosophie von EVERGREEN zu sprechen. Können sie uns dazu etwas sagen?
Iven Kurz: EVERGREEN ist ein FinTech und als solches ein nachhaltiger Asset Manager und digitaler Vermögensverwalter. Unsere Philosophie ist Nachhaltigkeit im ökologischen UND ökonomischen Sinn. Investments sollen einerseits bei der Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften helfen und andererseits mit niedrigen, fairen Gebühren sowie uneingeschränkter Transparenz hinsichtlich Risiken und Ertragschancen dem nachhaltigen Vermögensaufbau unserer Kundinnen und Kunden dienen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Ihre Fonds sind konsequent, so sagen Sie, nach strengen ESG-Kriterien aufgebaut. Welche sind dies?
Iven Kurz: Für uns hat Nachhaltigkeit bei der Geldanlage zwei Ebenen. Die erste Ebene ist, dass wir ein nachhaltiger Anbieter sind, denn es macht keinen Sinn, sein Geld nachhaltig bei einem nicht-nachhaltigen Anbieter anzulegen. So wurde EVERGREEN im Januar 2022 als B Corp zertifiziert und ist damit nachweislich ein Unternehmen mit gesellschaftlichem Mehrwert. Die zweite Ebene ist die der Fonds. Da wir als lizenzierter Fondsmanager unsere eigenen Fonds managen, können wir über jedes Unternehmen, jede Aktie und jede Anleihe sowie alle anderen Instrumente selbst bestimmen, was wir in unsere Fonds kaufen. Kritische Branchen, wie beispielsweise fossile Energien, Tabak und Waffen, schließen wir komplett aus. Da gibt es auch kein „bisschen schlecht“, da sind wir ganz konsequent. Im Detail wird es dann manchmal etwas komplizierter, da natürlich jeder Mensch eine etwas andere Vorstellung von Nachhaltigkeit hat. Um hier möglichst viele Aspekte bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, gibt es für unsere Fonds einen sogenannten Nachhaltigkeitsausschuss, bestehend aus Portfoliomanagement, CSR-Management und Geschäftsführung, der über Anlagevorschläge entscheidet. Darüber hinaus investieren wir gezielt in sogenannte Impact Investments.
WIRTSCHAFT ONLINE: Der CSR-Report befasst sich ja mit dem Jahr 2021. Ende 2021 wurden von Ihnen schon 46 Millionen Euro nachhaltig angelegt. Das Geld ist jedoch das der Anlegerinnen und Anleger. Welche Sparziele verfolgen diese in der Regel?
Iven Kurz: Exakt, wir sind für unsere Kundinnen und Kunden der Vermögensverwalter. Die Sparziele sind so unterschiedlich, wie die Anlegenden. Eines der Hauptsparziele ist natürlich die Geldanlage fürs Alter, also die private Altersvorsorge. Aber ebenso sparen Kundinnen und Kunden für die erste oder auch nächste Immobilie, die Traumreise oder die Hochzeit. Oft ist es so, dass man als Mensch mehrere Sparziele gleichzeitig verfolgen will. Ich persönlich lege zum Beispiel Geld fürs Alter zurück, aber auch für den nächsten Urlaub. Bei uns ist genau das über sogenannte Pockets, also Unterdepots, möglich. So hat man dann zum Beispiel ein Altersvorsorge-Pocket und ein neues-Fahrrad-Pocket.
In diesem Zusammenhang ist es für mich wichtig zu betonen, dass die unterschiedlichen Sparziele ja meistens auch mit unterschiedlichen Spardauern verknüpft sind. Da die Altersvorsorge zum Beispiel ein sehr langfristiges Sparziel ist, kann hier mehr Risiko eingegangen werden als bei dem Pocket für den Urlaub nächstes Jahr. Und genau deshalb haben wir uns entschieden, dass jedem einzelnen Sparziel eine eigene Risikoklasse zugeteilt werden kann.
WIRTSCHAFT ONLINE: 25 Millionen gingen in Impact Investments. Was verbirgt sich dahinter?
Iven Kurz: Impact Investments verfolgen das Ziel, neben einer finanziellen Rendite auch einen messbaren ökologischen und sozialen Mehrwert zu erzeugen. Als Zielbild für ökologischen und sozialen Mehrwert gelten die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs). Für die Klassifizierung als Impact Investment muss das Investment aktiv zu mindestens einem der 17 SGDs beitragen. Darüber hinaus definierten wir bei EVERGREEN nur solche Investments als Impact Investments, deren Emittent einen definierten Auftrag im Sinne der Nachhaltigkeitsziele verfolgt, z.B. Entwicklungsbanken oder Anleihen, die einem zugelassenen Green Bond Framework unterliegen. So stellen wir sicher, dass die deklarierten Impact Investments tatsächlich einen ökologischen und sozialen Mehrwert erzeugen. Ein Beispiel für ein Impact Investment bei uns ist die Anleihe auf den „Mikrofinanzfonds“ von Invest in Visions, welcher Finanzdienstleistungen, wie Kredite, Konten und Versicherungen, an Menschen vermittelt, denen der Zugang zum Finanzsektor erschwert ist oder die keinen Zugang zum Finanzsektor haben.
WIRTSCHAFT ONLINE: Sie orientieren Ihre Unternehmenskultur an den 10 Prinzipien der UNGC. Was können Sie uns darüber erzählen?
Iven Kurz: Ja genau, wir sind einer der Unterzeichner des United Nations Global Compact. Das ist ein globaler Pakt der Vereinten Nationen, der sich explizit an Unternehmen richtet und mittlerweile die weltweit größte Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung ist. Alle Unterzeichner müssen jährlich in einem Fortschrittsbericht darüber informieren, was sich im Unternehmen verändert hat und welche Anstrengungen im Hinblick auf die 10 Prinzipien des UNGC unternommen wurden. Genau das haben wir dieses Jahr zum ersten Mal getan. Im sogenannten Communication on Progress – kurz COP – gehen wir auf die unterschiedlichen Prinzipien ein und beschreiben exakt, welchen Beitrag wir leisten. Das wäre zum Beispiel
im Bereich Arbeitsnormen die Sicherstellung einer Entlohnung oberhalb des Mindestlohnstandards, ohne geschlechterspezifische Unterschiede.
WIRTSCHAFT ONLINE: Sie engagieren sich auch lokal. Wo und wie kam es dazu?
Iven Kurz: In verschiedenen Bereichen. Wir arbeiten einerseits eng mit der Ralf-Rangnick-Stiftung zusammen, die sich in ganz verschiedenen Projekten für die Bildungsförderung von Kindern einsetzt. Hinzu kommen unsere lokalen Freiwilligentage. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise bei SALVIA, einem barrierefreien Bildungsgarten, mitgeholfen und mit dem NABU in Leipzig Müll gesammelt. In diesem Jahr werden wir die Tafel mit Man- und Womanpower unterstützen.
Warum wir das machen, hängt mit unserer EVERGREEN-DNA zusammen. Wir sind ein Leipziger Unternehmen und das wollen wir zeigen und dann auch etwas zurückgeben.
WIRTSCHAFT ONLINE: Stichwort NET ZERO, auch hier sind Sie aktiv. Inwiefern?
Iven Kurz: Am Ende spielt das alles zusammen, die B Corp-Zertifizierung, die Unterzeichnung des UNGC etc. NET ZERO ist in diesem Kontext unsere Verpflichtung zur Klimaneutralität, die wir bereits dieses Jahr erreicht haben. Konkret heißt das für uns, dass wir unsere CO2-Ausstöße messen und sie transparent und detailliert in unserem CSR-Report darstellen. Anhand der gemessenen Daten sehen wir, in welchen Bereichen wir CO2 einsparen können, zum Beispiel durch die Optimierung unserer Prozesse, Einkäufe und Pendelwege. Um zur Klimaneutralität zu gelangen, werden unvermeidbare Emissionen kompensiert. Wir haben das für das Jahr 2021 über Zertifikate zur Renaturierung von Mooren in Schleswig-Holstein gemacht. Hier war es uns wichtig, einen verlässlichen und lokalen Partner zu finden, bei dem wir die Entwicklung des geförderten Projektes mitverfolgen können.
WIRTSCHAFT ONLINE: Können Sie uns bitte noch etwas zur Struktur des Mitarbeitenden-Pools sagen?
Iven Kurz: Ein Drittel unserer Mitarbeitenden arbeitet im Fondsmanagement, wo unsere nachhaltigen Publikumsfonds entstehen. Ein weiteres Drittel ist mit der Entwicklung unserer digitalen Vermögensverwaltung beschäftigt und das letzte Drittel ist für Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Kundensupport verantwortlich.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wie kommen Sie an Ihre Fachkräfte heran?
Iven Kurz: Es ist ja nun nicht so, dass Leipzig keine attraktive Stadt wäre und auch was die Bildungslandschaft hier anbelangt, ist unsere Stadt Spitze. Wir haben die verschiedenen Leipziger Hochschulen, die Uni in Halle, die Hochschule in Merseburg und auch Chemnitz ist nicht so weit weg, ebenso wie Erfurt. Und genau hier setzen wir an. Konkret bedeutet das, dass wir direkt an die Hochschulen gehen, dort Vorträge halten und Kontakte knüpfen zu Studierenden. Wir treffen dabei auf viel positives Feedback, welches immer wieder bestätigt, dass der Großteil der Studierenden gerne nach dem Studium hier in der Region bleiben würde und Lust hat auf ein junges, nachhaltiges Unternehmen.
Eine andere Thematik betrifft Fachkräfte, die mitten in der Arbeit stecken. Hier müssen wir attraktiv sein als Company. Bei uns heißt das, neben verschiedenen Benefits, ständig an einem offenen Arbeitsklima zu arbeiten und daran, dass sich alle aktiv in die Weiterentwicklung der Firma miteinbringen können. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter weiß, warum er oder sie hier ist und, dass es darum geht, die Finanzwelt ein Stück fairer und nachhaltiger zu machen. Das ist ein sinnstiftendes Moment über die reine Arbeit hinaus, die Art von Purpose, die es vielleicht nicht in jedem Unternehmen gibt.
WIRTSCHAFT ONLINE: In der Start-up-Szene werden Unicorn hofiert, Sie sehen sich jedoch eher als „Zebra“. Was ist der Unterschied, was heißt das und welche Vorteile gibt es?
Iven Kurz: Ein Unicorn ist am Ende einfach ein Start-up, dessen Bewertung die 1 Milliarde US-Dollar überschritten hat. Also ein Ziel, das viele – auch viele sogenannte Zebras – haben. Die Gegenüberstellung kommt eher daher, dass viele der heutigen Einhörner ein System repräsentieren, das auf schnelles Wachstum um jeden Preis, Top oder Flop setzt. Dieser Idee hat man mit den Zebras etwas entgegengesetzt. Hierbei steht mehr die Profitabilität im Fokus, statt reiner Skalierung, aber ebenso der konstruktive Austausch mit Wettbewerbern. Bei Zebras geht es also auch mehr um Kooperation als um Wettkampf. Der Vorteil liegt für uns klar auf der Hand, als Zebra setzen wir auf ruhigeres und stabileres Wachstum – es geht nicht primär darum, von Monat zu Monat immer mehr neue Kundinnen und Kunden zu finden. Stattdessen können wir stärkeren Wert auf andere Merkmale, wie beispielsweise die Kundenzufriedenheit oder die Produktqualität, legen. Das Positive an unserem Weg ist, dass wir so neue Kundinnen und Kunden durch Weiterempfehlungen gewinnen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Kurz, für Ihre Zeit und dass wir Einblick in Ihre Arbeit bekommen durften.