Mit Pascal von Wroblewsky und dem Lora Kostina Trio im Namen des Jazz
13. Mai 2024Als Burt Bacharach im Februar 2023 verstarb, schrieb ihm der SPIEGEL eine sanfte Reminiszenz und breitete eine charmante Anekdote aus: „… Er war schlecht in der Schule und gut am Klavier. Er liebte den Jazz, der sich in den Vierzigern in New York gerade neu erfand, oft schlich er sich als Jugendlicher in die Klubs. Und dann ging er nach Kalifornien, um Musik zu studieren. Als er zusammen mit lauter Kommilitonen, die die Zwölftonmusik liebten, bei dem französischen Komponisten Darius Milhaud einen Kurs belegte und diesem seine Stücke zeigte, sagte Milhaud: „Schämen Sie sich nie, eine Melodie zu schreiben, die man pfeifen kann.““
Und Burt Bacharach tat genau dies.
Dem großen US-amerikanischen Pianisten und Komponisten wird nun am 23. Mai 2024 in der Alten Handelsbörse zu Leipzig im Rahmen der Veranstaltungsreihe WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR Tribut gezollt. Dafür hat sich eine der umtriebigsten und beeindruckendsten deutschen Jazzstimmen, die große Pascal von Wroblewsky, mit dem Lora Kostina Trio zusammengetan und ihr Programm „A Look of Burt“ kreiert.
„Burt Bacharach hat ein riesiges Œuvre an großen Liedern hinterlassen. Das Verrückte ist, dass viele Menschen nicht mehr mit seinem Namen vertraut sind, jedoch die meisten Songs kennen oder sogar mitsingen könnten“, resümiert Pascal von Wroblewsky über Burt Bacharach, dem unsere Welt solch große Songs wie „Raindrops keep fallin´ on my head“, „The look of love“, „That´s what friends are for“ zu verdanken hat. Bacharach bekam mehrfach den Oscar für seine Melodien und sogar 2001 den inoffiziellen Nobelpreis für Musik, den Polar Music Prize, zusammen mit Karlheinz Stockhausen und dem Erfinder des Moog-Synthesizers Robert Arthur „Bob“ Moog.
„Bacharach, selbst aus einer jüdisch-deutschen Auswandererfamilie stammend, hat jahrelang sogar die amerikanischen Single-Charts dominiert, eigentlich ist das für den deutschen Jazz eher undenkbar. Daher ist er auch beispielhaft für grenzenlose Freiheit in seiner Arbeit. Die Songs, die er hinterlassen hat, werden von unzähligen Interpreten immer wieder neu gespielt und gesungen, weil sie weit über das hinausgehen, was man von einem normalen Popsong erwarten würde und“, so Pascal von Wroblewsky „… es macht einfach Spaß, sie immer wieder zu singen!“
ALLE KUNST TRACHTET NACH FREIHEIT
Befragt nach gerade dem auch von Bacharach gelebten Freiheitsgedanken im Jazz sagt Pascal von Wroblewsky: „Jazz ist in einer Zeit entstanden, in der sich nicht nur die gesamte Kunst, sondern die Industrialisierung, die Politik und auch die Wirtschaft in einem großen Umbruch befunden haben. Man kann den Jazz nicht losgelöst davon betrachten, denn alle Kunst (auch die der Wissenschaft) trachtet nach Freiheit im Denken und will und muss sich entwickeln. Es würde jetzt den Rahmen sprengen, auch von Literatur, Theater und Malerei in dem Zusammenhang zu sprechen, aber diese außen vorzulassen, wäre schändlich, weil es nicht vollständig wäre.“
Kann also der Jazz die Welt mit besseren Ideen fluten? „Da muss ich auch ablehnen, zu sagen, dass der Jazz allein die Ideen zu einer besseren Welt geben kann. Schaut man sich nur einmal bei zeitgenössischen Komponisten um, finden wir teilweise unglaubliche Innovation, die dem Jazz durchaus den Rang ablaufen kann. Ich beobachte auch viele sehr junge Musikerinnen und Musiker, die weit über das hinausgehen, was wir klassischerweise unter Jazz verstehen und die sich auch darum nicht scheren, ob das in diese Schublade gehört; und ich denke, dass eines der wichtigsten Merkmale aller Kunst ist, grundsätzlich nicht danach zu fragen. Allein dieses Kriterium zählt, und nicht nur in der Kunst.“
Pascal von Wroblewsky verbrachte als Kind fünf Jahre in Leipzig. „… und mein erster Musiklehrer, der mich tief geprägt hat, leitete später die Thomaner. Meine Mutter war klassische Gitarristin und ich wuchs mehr mit Bach als Blues auf, während mein Stiefgroßvater bei Bertolt Brecht spielte. Ich glaube, ich habe wirklich großes Glück gehabt, so viel geistigen Reichtum miterleben zu können.“
Da ist sie wieder, die Freiheit, die Kant in seiner Idee des mündigen Bürgers als Grundstoff ausmachte, erwachsen aus geistigem Reichtum und dem ganz persönlichen individuellen Verweigern von Dogmatismus. „Ich wuchs in einem Umfeld von ganz unterschiedlichen Kunstrichtungen auf, meine Eltern hatten die erste Privatgalerie der DDR in einer Hinterhofwohnung gegründet, in der im Grunde nur verbotene Maler ausstellen konnten, Freejazzer auftraten, Schriftsteller, Schauspieler oder Puppenspieler Werke zeigten, die fern von Zensur und Zwängen waren. Ich konnte mich zwischen Theater, Musik, bildender Kunst und Literatur zu dem Menschen entwickeln, der ich heute bin.“
NÄGEL MIT KÖPFEN
Am 23. Mai 2024 hat Pascal von Wroblewsky das Lora Kostina Trio als starke Unterstützung mit auf der Bühne. Lora Kostina, geboren im jetzigen Stankt Petersburg und an der Musikschule des staatlichen Konservatoriums ihrer Heimatstadt in Musiktheorie und Komposition ausgebildet, absolvierte in Leipzig bei Prof. Richie Beirach an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Jazzpiano und tourte durch Dänemark, Schweden, Norwegen und Russland. Sie arbeitete für den MDR, die Oper Leipzig, das Westsächsische Symphonieorchester und wirkte unter anderem am CD-Projekt „Diwan“ des libanesischen Geigers und Komponisten Claude Chalhoub mit.
Pascal von Wroblewsky erzählt über ihr Zusammentreffen: „Kennen Sie den Witz, dass Künstler ständig irgendwo in Cafés oder Bars oder bei Konzerten aufeinandertreffen und sich gern mit den Worten ‚Wir müssen mal was zusammen machen!‘ verabschieden? Lora und ich haben uns an der HMT Felix Mendelssohn Bartholdy beim Unterrichten auf dem Hof in den Pausen getroffen und mindestens zwei Jahre lang genau diesen Satz gesagt. Und eines Tages haben wir dann Nägel mit Köpfen und was zusammen gemacht und das war eine unserer besten Entscheidungen! Das ist doch eine schöne Geschichte, oder?“
KONSEQUENT EINTRITT FREI
Im Vorfeld des Konzertes wird es einen kleinen Talk zur jüdischen Wirtschaftsgeschichte Leipzigs geben. Hier konnten die Veranstalter von der IHK zu Leipzig den Autor und Historiker Steffen Held gewinnen, der unter anderem mit seinem Buch „Stärker als der Tod ist die Liebe“ über den Neuen Israelitischen Friedhof in Leipzig brillierte. Der Wirtschaftsjournalist und Moderator Volker Hartmann-Tanner wird mit ihm sprechen und Interessantes zutage fördern.
Die Veranstaltungsreihe WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR, welche gemeinsam von der IHK zu Leipzig und dem LeipJAZZig e.V. organisiert wird, ist im zweiten Jahrgang 2024 nun auch eintrittsfrei zu erleben. Volker Hartmann-Tanner sagt dazu: „Es war von Beginn an unsere Intension, möglichst vielen Menschen einen Raum zum Dialog zu geben. Dazu gehört ganz konsequenterweise, dass der Eintritt frei sein sollte. Menschen, die sich miteinander in Kontakt begeben wollen und für die jeweils andere Position interessieren, sollten offene Türen vorfinden und ein wirklich beeindruckendes Programm. Ich denke, mit WIRTSCHAFT TRIFFT KULTUR haben wir hier ein wirklich gutes Pfund, mit dem wir wuchern können.“
Bei Fragen hilft Ihnen die Redaktion der WIRTSCHAFT ONLINE gerne weiter.