Bierstedt Jens
Gespräch mit Jens Bierstedt

Influencer versus Steuerrecht – Digitaler Beruf als Herausforderung für die Finanzverwaltung

16. März 2023

Influencer-Marketing ist das derzeit „ganz heiße Eisen“. Während einige Menschen immer noch skeptisch sind, verdienen andere Millionen von Euro. Dass hier ein ebenfalls immenser Nachwuchsdruck in die Branche zu spüren ist, ist nur logisch.

Jens Bierstedt, bei der IHK zu Leipzig im Steuer- und Gewerberecht aktiv, befasste sich intensiv mit dem Thema und gab uns ein Interview. Viele Fakten, viele Antworten und wirklich erhellende Einsichten:

WIRTSCHAFT ONLINE: Zuerst eine grundlegende Begriffsbestimmung: Ab wann ist man als „Influencer“ eigentlich steuerrechtlich interessant?

Jens Bierstedt: Influencer sind Persönlichkeiten, die ihren Einfluss nutzen, um Produkte in sozialen Netzwerken zu bewerben (beispielsweise auf TikTok, Twitter, Instagram, YouTube, Blogs). Je nach der Anzahl der Follower sind Einnahme- bzw. Gewinnspannen pro einzelnem Post von 10 EUR bis zu mehreren 10.000 EUR erzielbar. Vor dem Hintergrund des rasanten Aufstiegs von Influencern und deren Einnahmen bzw. Gewinnen ist es kaum überraschend, dass die Besteuerung der Einnahmen bzw. Gewinne der Influencer nicht mehr wegzudenken ist und dementsprechend von Politik und Finanzverwaltung immer stärker in den Fokus genommen wird.

Während die Verwaltungsvorschriften der Finanzverwaltung die Tätigkeiten der Influencer grundsätzlich als „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ deklarieren, gibt es allerdings erhebliche Werbemaßnahmen, die zu Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit führen, sprich Einkünfte als Freiberufler zu veranlagen sind. Steuerrechtlich interessant wird es, wenn Einnahmen bzw. Gewinne in Geld (auch Spenden gehören dazu) oder Geldeswert (Sachbezüge bzw. Sachzuwendungen) durch die Werbemaßnahmen dem Influencer zufließen. Das kann einerseits in der üblichen Bezahlung durch Geld geschehen oder aber durch die Bereitstellung von Werbematerial, welches die Influencer nach der Werbemaßnahme behalten dürfen. Hierzu bedarf es umfangreicher Kenntnis im Steuerrecht, um die Einordnung der einzelnen Sachbezüge bzw. Sachzuwendungen korrekt in der jeweiligen Steuererklärung deklarieren zu können.

WIRTSCHAFT ONLINE: Nach dieser Definition gibt es wirklich viele Influencer. Können Sie uns etwas über das breite Spektrum, in dem diese tätig sind, sagen? Können Sie da vielleicht helfen, die wirren Fäden etwas aufzudröseln?

Jens Bierstedt: Die Vielzahl an Themen für Influencer ist tatsächlich weitgefächert und dementsprechend auch umfangreich besetzt. Mit den vorliegenden Zeilen möchten wir versuchen, anhand von sechs Beispielen zu zeigen, was sich alles unter dem Begriff „Influencer“ versteckt. Die Aufzählung ist natürlich nicht abschließend, sodass auch weitere Kategorien von Influencing nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich sind. Wir haben uns daher auf folgende Influencer konzentriert.

Petfluencer: Haustiere bzw. der Heimtiermarkt gewinnen in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Dabei sind Tiere zivilrechtlich nicht rechtsfähig. Sie werden zivilrechtlich wie Sachen behandelt. Steuerrechtlich wird die Tätigkeit des Petfluencers den Haltern der Tiere zugerechnet und dementsprechend bei ihnen der Besteuerung unterworfen. Bei Petfluencern steht oft die (art-)gerechte Tierhaltung im Vordergrund, sodass die Produktwerbung eher auf das jeweilige Tier angepasst und die Vorteile daraus entwickelt werden.

Food-Influencer: Der kulinarische Content kennt keine Grenzen. Daher verwundert es kaum, dass der Bereich an Food-Influencing immer mehr an Fahrt gewinnt. Food-Influencer inspirieren zum Kochen, stellen ausgewählte Restaurants vor oder betreiben Werbung für Lebensmittel. Auch eigene oder fremd erstellte Kochbücher und deren Verkauf oder ausgewählte Küchenutensilien sowie angebotene Kochkurse gehören mittlerweile zu ihren Werbemaßnahmen.

Fashion- & Beauty-Influencer: Die Vermarktung von Kleidung und Kosmetika stellt wohl die bekannteste Marketingmaßnahme von Tätigkeiten der Fashion- & Beauty-Influencer dar. Die Maßnahmen der Fashion- & Beauty-Influencer sollen besondere optische Kaufanreize setzen und insbesondere der Verkaufsförderung dienen. Überdies werden Fashion- & Beauty-Influencer durch ihr Engagement zumeist auch als Models oder für die Sing- und Schauspielerei genutzt bzw. gebucht.

Fitness-Influencer: Fitness-Influencer haben in der Coronapandemie mit ihrem sportlichen Content einen sehr großen Zuspruch an Teilnehmern gewinnen können. Dabei dreht sich ihr beruflicher Erfolg ganz um die eigene Fitness, die sie mit Anleitungen und Motivationen durch Trainingsvideos ihren Teilnehmern (Followern) zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind sie oft an der Vermarktung von sportiver Ernährung beteiligt und geben überdies eigens erstellte Ernährungstipps.

Travel-Influencer: Travel-Influencer und Reiseblogger berichten in den sozialen Netzwerken über Reisen, Tourismus und Kultur. Hierbei werden diese oft durch Fluggesellschaften, Veranstalter von Reisen oder ähnlichen Anbietern unterstützt. Die Inhalte werden zumeist in Blogs bekannt gegeben oder aber durch spezielle Video- und/oder Fotografien aufgenommen und dann verbreitet. Wesentliche Inhalte sind Veröffentlichungen über Landschaften des Reiseziels, geeignete Fahrrouten zum Reiseziel, ausgewählte Köstlichkeiten und andere kulturelle Begebenheiten. Hintergrund der Unterstützung von Travel-Influencing durch Reiseveranstaltung und ähnlichen Organisationen ist es, den Tourismus voranzutreiben.  

Gaming-/ E-Sportler-Influencer: Die Gaming-/ E-Sportler-Influencer Community ist weitgefächert. Diese nehmen an Online-Turnieren teil, testen und bewerben die neuste Hardware und Games in den sozialen Netzwerken. Ein ebenfalls weitverbreitetes Phänomen ist die Auswertung von gestreamten Games. Hierfür erhalten die Gaming-/ E-Sportler-Influencer von ihren Fans bzw. Followern entsprechende Spenden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Welche Steuerarten werden beim Influencer-Marketing wann fällig?

Jens Bierstedt: Influencer treten in den meisten Fällen allein auf und werden daher steuerrechtlich als Einzelunternehmen betrachtet. Daher sind die wohl bekanntesten Steuerarten die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer, die hier einer näheren Betrachtung bedürfen.

Petfluencer: Der Pet-Influencer erzielt nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb und keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, da letztere Einkünfte eine qualitativ hochwertige, eigenschöpferische Leistung des Petfluencers voraussetzt. Bei Petfluencern dürfte wohl eher eine Dokumentation des Tierverhaltens im Vordergrund stehen. Bei der Berechnung der Einkommensteuer von Petfluencern dürften wohl grundsätzlich die Betriebsausgaben als problematisch anzusehen sein. Das liegt daran, dass Haustiere auch dem Wohl des Petfluencers zugutekommen, damit seiner privaten Lebenssphäre zuzuordnen sind und daher auch schwer zwischen betrieblicher und privater Sphäre abzugrenzen ist. Daher wird die Finanzverwaltung sich konkret angesetzte Anschaffungskosten des Haustieres und Tierhaltungskosten als Betriebsausgaben anschauen und gegebenenfalls ein Betriebsausgabenabzug verneinen. Bei der Betrachtung der Umsatzsteuer dürfte nur ein Steuersatz von 19 Prozent in Betracht kommen, da der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent nur bei der Viehhaltung oder Tierzucht, sprich: bei Nutztieren, infrage kommt. Eine wesentliche Ausnahme von der Umsatzsteuerbesteuerung kann nur durch die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung erzielt werden, wonach keine Umsatzsteuer erhoben wird.

Food-Influencer: Der Food-Influencer kann sowohl Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit haben, soweit der Verkauf von Kochbüchern der freiberuflichen, insbesondere der schriftstellerischen, Tätigkeit oder das Abhalten von Kochkursen einer freiberuflichen, insbesondere der unterrichtenden, Tätigkeit zuzuordnen ist. Eine schriftstellerische Tätigkeit liegt insbesondere vor, wenn es sich um den Ausdruck eigener Gedanken handelt, mögen sich diese auch auf rein tatsächliche Vorgänge beziehen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Gedanken schriftlich niedergeschrieben sind, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden und die eigenschöpferische Leistung erkennbar ist. Eine unterrichtende Tätigkeit ist jede institutionalisierte Form der Wissensvermittlung. Andere Einnahmen, die nicht der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sind, sind gewerbliche Einkünfte. Beide Einkunftsarten, gewerbliche oder freiberufliche, sind steuerrechtlich getrennt zu erfassen. Bei der Berechnung der Einkommensteuer haben wir auch hier das Problem, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht zwangsläufig Betriebsausgaben im steuerrechtlichen Sinne darstellen. Dazu gehören insbesondere der Einkauf von Lebensmitteln oder Küchenutensilien, da diese natürlich auch privat genutzt werden. Umsatzsteuerrechtlich kann sowohl der 19-prozentige als auch der 7-prozentige Steuersatz zur Anwendung kommen.

Fashion- & Beauty-Influencer: Bei Fashion- & Beauty-Influencern sind ebenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit denkbar. Das hängt natürlich von der jeweiligen Tätigkeit ab. So sind die reinen Werbemaßnahmen von Präsentationen und Zusammenstellungen von Kleidungen, Schuhen, Accessoires, eigener Frisuren, Make-ups und Stylings, soweit diese Dritten vorgestellt werden, als gewerblich anzusehen. Hingegen ist eine Darstellung der eigenschöpferischen Modekollektion als sog. Modeschöpfer als künstlerische Tätigkeit und damit für eine Einordnung als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit denkbar. Überdies ist denkbar, dass die Produktion von Schmink- und Styling-Tutorials als unterrichtende Tätigkeit deklariert wird und somit Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt werden. Bei Fashion- & Beauty-Influencing sind neben den Werbeerlösen erhaltene Produktproben und Sachbezüge bzw. Sachzuwendungen (Modestücke, Schuhe, Accessoires und Kosmetika) als Betriebseinnahmen zu erfassen. Eine besondere Ausnahme, wo Betriebseinnahmen nicht erfasst versteuert werden, ergibt sich bei der Option der Pauschalbesteuerung von Sachzuwendungen durch den Zuwendungsgeber. Danach bleiben pauschal besteuerte Sachbezüge bzw. Sachzuwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte des Fashion- & Beauty-Influencers außer Ansatz, dies bedeutet: Der Influencer muss nicht versteuern. Bei den Betriebsausgaben dürfte die Frage aufkommen, ob eigens genutzte Kleiderschränke oder Kosmetikregale, die mit zugewandter Kleidung, Schuhen und Kosmetika bestückt werden, in Abzug zu bringen sind. Hier dürfte die Abgrenzung zwischen betrieblicher und privater Sphäre ein enormes Problem in der Beweisführung gegenüber der Finanzverwaltung darstellen. Weitere Betriebsausgaben kann der Fashion- & Beauty-Influencer nur dann geltend machen, soweit es sich um Aufwendungen handelt, die durch den Betrieb veranlasst sind. Umsatzsteuerrechtlich dürfte nur der allgemeine Steuersatz zur Anwendung kommen. Bei der Erfassung der Produktproben und anderen Sachbezügen bzw. Sachzuwendungen muss der gemeine Wert angesetzt und versteuert werden.

Fitness-Influencer: Die Tätigkeiten eines Fitness-Influencers sind in aller Regel gewerblich einzuordnen, sodass diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Hierzu zählen u. a. Werbung, Merchandising, der Handel mit Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmitteln, für Lizenzgebühren aus der Verwendung von Namensrechten oder der Durchführung eines eigens entwickelten Trainingsprogramms durch Drittanbieter. Hingegen kann der Fitness-Influencer auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielen, soweit er angeleitete Trainings selbst durchführt und damit unterrichtend tätig wird. Eine Abgrenzungsproblematik zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften entsteht, soweit Trainings oder Trainingsprogramme mit Einzelpersonen oder Gruppen durchgeführt werden. Bei Fitness-Influencern sind sowohl Werbevergütungen (Merchandising und Lizenzierung von Namensrechten) als auch Sachzuwendungen (Sportbekleidung, Trainingszubehör und Nahrungsergänzungsmittel) als Betriebseinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen. Für Sachzuwendungen besteht auch hier die Möglichkeit, dass der Zuwendungsgeber eine pauschale Versteuerung vornimmt, sodass der Fitness-Influencer diese entsprechenden Betriebseinnahmen nicht der Besteuerung unterwerfen muss. Bei den Betriebsausgaben wird die Frage aufkommen, inwiefern die eigene Sportkleidung, einschließlich Sportschuhe, tatsächlich für den betrieblichen Aufwand genutzt wird. Gleiches dürfte sich für Kosten der Ernährung ergeben. Bei der Verwendung von Trainingsgeräten und Hilfsmitteln kann ein vollständiger Abzug als Betriebsausgaben nur dann greifen, soweit diese 90 Prozent für Kurse, Vorführungen und Erläuterungen an Kursteilnehmer und Follower übersteigen. Umsatzsteuerrechtlich ergeben sich für den Fitness-Influencer keine Besonderheiten und auch keine Umsatzsteuerbefreiungen, sodass hier der 19 Prozent Steuersatz zur Anwendung kommt.

Travel-Influencer: Der Travel-Influencer ist grundsätzlich nur gewerblich tätig und erzielt mithin einkommensteuerrechtlich nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dies gilt selbst dann, wenn der Travel-Influencer als sog. Reisefotograf engagiert wird und damit einer Auftragstätigkeit nachgeht. Dieses gilt im Prinzip für alle Auftragstätigkeiten, da hier in aller Regel die eigenschöpferische Leistung des Travel-Influencers nicht vollumfänglich vorliegt. Neben den Honoraren und Werbevergütungen sind auch Sachzuwendungen des Travel-Influencers als Betriebseinnahmen anzusehen und zu erfassen. Für Sachzuwendungen besteht auch hier die Möglichkeit, dass der Zuwendungsgeber eine Pauschalversteuerung vornimmt, die dann wiederum nicht beim Travel-Influencer zu versteuern ist. Zu beachten ist, dass es entsprechende Höchstgrenzen für eine Pauschalversteuerung von insgesamt 10.000 EUR je Empfänger und Wirtschaftsjahr gibt. Soweit diese Grenze erreicht wird, kommt eine Pauschalversteuerung nicht in Betracht und der Travel-Influencer hat die entsprechenden Sachzuwendungen bei seiner Gewinnermittlung mit hinzuzurechnen. Überdies sind Reisen im Ausland noch mal gesondert auf deren Steuerpflicht und dementsprechend Steuerzahlungspflicht zu überprüfen. Ein relativ großes Problem stellen die Betriebsausgaben dar. So sind die doch sehr preisintensiven Reisekosten (Fahrtkosten, Übernachtungen usw.) der Travel-Influencer immer ein Streitpunkt zwischen der Finanzverwaltung und dem Travel-Influencer, da hier kaum zwischen der privaten und betrieblichen Sphäre abgegrenzt werden kann. Hier bedarf es schon einer sehr dokumentierten Auszeichnung, wobei deren Beweiskraft doch meist infrage gestellt werden wird. Soweit hingegen eine Geschäftsreise vorgenommen wird, gelten die Vorschriften des Reisekostenrechts, die dann entsprechend steuerlich abzugsfähig sind. Ein weiteres größeres Abgrenzungsproblem zwischen privater und betrieblicher Sphäre dürfte im Rahmen von Betriebsausgaben das Reiseequipment (Kameras, Mikrofone, Aufzeichnungssysteme, Laptops usw.) und der sonstigen Reisenebenkosten (Eintrittskarten, Reisemedikamente, ggf. Impfungen, Auslandskrankenversicherungen usw.) darstellen. Ein beweiskräftiger Nachweis hierüber dürfte nur schwerlich zu erbringen sein. Umsatzsteuerrechtlich kann sowohl der allgemeine Steuersatz von 19 Prozent als auch der 7 Prozent zur Anwendung kommen. Dies hängt von dem jeweiligen Umsatz ab (z. B. bei selbst publizierten Büchern). Besonderheiten im Rahmen der Umsatzsteuer ergeben sich noch bei der Einfuhr von Souvenirs, bei Aufwendungen im Reiseland und Community-Reisen.

Gaming-/ E-Sportler-Influencer: Steuerrechtlich betrachtet erzielen Gaming-/ E-Sportler-Influencer entweder Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hierzu bedarf es immer einer Betrachtung des Einzelfalls. Soweit Gaming-/ E-Sportler-Influencer als Arbeitnehmer einzustufen sind, so sind alle vertraglichen Einnahmen als Arbeitslohn zu deklarieren. Überdies gehören zu den Einnahmen die Veräußerung von sog. In-Game-Items. Auch Start- und Preisgelder bei Turnieren, Werbeeinnahmen, Sponsoring sowie Streaming-Abos gehören zu den Einnahmen bzw. Betriebseinnahmen. Bei den Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben besteht ebenfalls das Problem, ob diese der privaten oder betrieblichen Sphäre zugeordnet werden können. Dazu gehören die Gaming-Hardware, Software, sonstige Ausrüstung und Kosten, Teilnahme an Turnieren und Events sowie Krankheitskosten. Umsatzsteuerrechtlich sind auch hier die allgemeinen Regeln anzuwenden, wonach im Inland erzielte Umsätze grundsätzlich mit 19 Prozent zu versteuern sind. Besondere Problempunkte ergeben sich bei Streaming-Einnahmen, da aufgrund der besonderen Ortsbestimmung bei sonstigen Leistungen oder der Steuerschuldumkehr (Reverse-Charge) der entsprechende Umsatz im Ausland zu versteuern ist. Ein weiteres zu beachtendes Phänomen sind Preisgelder, da nach der Finanzverwaltung sog. Turnierpreisgelder keiner Umsatzsteuer bedürfen. Ebenfalls sind die Besonderheiten bei Abos und Sachzuwendungen im Bereich der Vorsteuer zu beachten.

WIRTSCHAFT ONLINE: Noch einmal ganz konkret zum Thema „Geschenke und Gratisprodukte“. Viele Influencer agieren ja gerade auf diesem Feld sehr aktiv. Wie ist hier das steuerrechtliche Prozedere zu beschreiben?

Jens Bierstedt: Soweit Influencer bestimmte Sachzuwendungen aus betrieblichen Gründen ohne Gegenleistung erhalten, so sind diese Sachzuwendungen einkommensteuerrechtlich mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Sachzuwendung als Betriebseinnahme zu erfassen. Der gemeine Wert ist einkommensteuerrechtlich durch das Gesetz nicht erfasst, sodass hier eine nähere Betrachtung durch das Bewertungsgesetz erfolgen muss. Das Gesetz spricht wörtlich von: „Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.“ Gemeint ist, dass der gemeine Wert der Wert ist, den die Sachzuwendung bei Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielen würde, und zwar mit allen Rabatten, gewährten Skonti, Gutschriften oder ähnlichen Preisnachlässen, in welcher Form auch immer.

WIRTSCHAFT ONLINE: Aber woher wissen Influencer, welchen Geldwert sie veranlagen müssen?

Jens Bierstedt: Dies würde ich gerne an einem Beispiel für unser Publikum erklären. Stellen wir uns Folgendes vor: Wir haben einen Travel-Influencer, der einen gekauften ausrangierten Transporter in ein Reisemobil umgebaut hat. Damit will der Travel-Influencer die Welt bereisen und Orte besuchen, die kaum zu erreichen sind. Nun hat der Travel-Influencer keine intakte Stromversorgung in seinem umgebauten Reisemobil installieren können, sodass er auf fremde Hilfe angewiesen ist. Soweit der Travel-Influencer mit seinen Beiträgen eine gewisse Reichweite in seinen Netzwerken erreicht hat und dementsprechend eine gewisse Aufmerksamkeit von verschiedenen Anbietern erhält, die hierfür eine praktikable Lösung finden, erhält er entsprechende Angebote von Anbietern, die hierfür eine Lösung bereitstellen. Gemeint sind dabei Anbieter, die entsprechende Strom-Aggregate anbieten, die z. B. durch Solar-Paneele oder ähnliches aufgeladen und zur Verfügung gestellt werden können. Ist die Reichweite des Travel-Influencers so hoch, dass der Anbieter für die Bereitstellung einen Nutzen sieht, so wird er das entsprechende Gerät dem Travel-Influencer zur Verfügung stellen und ggf. auch nach der Werbemaßnahme dem Travel-Influencer überlassen. Hier wird es nun steuerrechtlich interessant. Nachdem ich oben schon einmal darauf hingewiesen habe, dass hier der gemeine Wert angesetzt werden muss, müssen wir den gemeinen Wert herausfinden. Der gemeine Wert kann nur der Wert sein, der zum Zeitpunkt der Überlassung durch den Anbieter an den Travel-Influencer auf der Verkaufsliste des Anbieters stand. Diesen gemeinen Wert müssen Influencer bei Sachzuwendungen immer ansetzen und versteuern.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und wie kann das kontrolliert werden?

Jens Bierstedt: Ich empfehle jedem Influencer, bei der Zuwendung von Sachzuwendungen sofort zu handeln. Die Influencer sollten sich umgehend mit dem aktuellen Verkaufspreis der zugewendeten Sachzuwendung auseinandersetzen, und die ermittelten Preise auch dokumentarisch festzuhalten. Dies kann in einem Ausdruck der angebotenen Website des Anbieters geschehen oder aber auch in der Einholung von mehreren Angeboten fremder Anbieter. Wichtig ist nur, dass ein belegmäßiger Nachweis durch den Influencer geführt werden kann. Soweit dies nicht erfolgt und durch die Finanzverwaltung mit begründetem Zweifel angefochten wird, kann eine Schätzung des Preises durch die Finanzverwaltung erfolgen, was im Einzelfall für den Influencer zu erheblichen Mehrsteuern führen kann.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und wie hilft die IHK zu Leipzig konkret?

Jens Bierstedt: Die IHK zu Leipzig steht Interessierten und angehenden Influencern gerne zur Seite, sei es bei der Klassifizierung eines Influencers hinsichtlich der richtigen Rechtsformwahl als auch bei der richtigen Einordnung der jeweiligen Einkünfte, d. h. ob Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (Freiberufler) vorliegen. Aufgrund unserer langjährigen Arbeit als Beratende haben wir gerade für Gründende im Influencer-Gewerbe (aber auch für schon längere Zeit Aktive) die richtigen Antworten auf ihre vielfältigen Fragen und können somit helfen, unterschiedlichste Fallstricke zu umfahren. Wir möchten natürlich ebenfalls für das Thema Influencing sensibilisieren und darauf verweisen, dass dieses relativ neue Segment der Wirtschaft auch und in ganz großer Breite des Unternehmertums zu betrachten ist.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Jens Bierstedt gerne weiter.

T: +49 341 1267-1405
F: +49 341 1267-1420
E: jens.bierstedt@leipzig.ihk.de

Aufnahme der IHK-Fahnen vor dem Haus

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