Yvonne Ruhnau und Elisabeth Weiß vom IHK-Fachkräfteprojekte "Talente gewinnen und sichern" auf einer Informationsveranstaltung
Im Gespräch mit Yvonne Ruhnau und Elisabeth Weiß

„Hand in Hand for international Talents“ ebnet Fachkräften den Weg

30. Januar 2025

In „Hand in Hand for international Talents“ arbeiten Kammern und Behörden bereits vor der Einreise ausländischer Fachkräfte zusammen, damit sowohl dem Unternehmen als auch der neuen Fachkraft viel Bürokratie vor Ort erspart bleibt. Yvonne Ruhnau und Elisabeth Weiß berichten über das Projekt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Frau Ruhnau und Frau Weiß. Sie betreuen in der IHK zu Leipzig Projekte, die sich mit der Fachkräftegewinnung aus anderen Ländern auseinandersetzen. Unter anderem haben Sie „Hand in Hand for international Talents“ auf Ihren Tischen. Was ist das für ein Projekt? Was beinhaltet es und was unterscheidet dieses Projekt von anderen ähnlich gelagerten Ansätzen?

Yvonne Ruhnau: In diesem Projekt können Unternehmen unkompliziert mit internationalen Fachkräften in Verbindung treten. Die Auslandshandelskammern (AHK), die Bundesagentur für Arbeit und das Projektleitungsteam der DIHK Service GmbH in Berlin arbeiten in diesem Projekt zusammen. Diese Kooperation ermöglicht, dass der Antrag auf Gleichwertigkeit der Berufsausbildung bereits im Ausland gestellt werden kann und die Fachkräfte bei Ankunft in Deutschland in vielen Fällen bereits eine volle Anerkennung vorweisen können. Die Unternehmen im IHK-Bezirk können die Fachkräfte anhand online verfügbarer anonymisierter Steckbriefe auswählen und zu den Recruiting Days kennenlernen oder unabhängig davon Termine zum Kennenlernen vereinbaren.

WIRTSCHAFT ONLINE: Aus welchen Ländern kommen die Fachkräfte und welche Branchen sind im Fokus?

Elisabeth Weiß: Die Fachkräfte kommen aus Vietnam, Brasilien, Indien und den Philippinen. Im Projekt arbeiten wir eng mit den Auslandshandelskammern dieser Länder zusammen. Der Fokus liegt auf den Bereichen Elektro, Metall und Mechatronik, Hotellerie und Gastronomie sowie IT. Darunter sind zum Beispiel Industrieelektriker/innen, Fachkräfte für Metalltechnik, Hotelfachkräfte, Köchinnen und Köche sowie Fachinformatiker/innen. Über anonymisierte Fachkräfteprofile können sich Unternehmen jederzeit digital über die beruflichen Kenntnisse und Vorerfahrungen der einzelnen Fachkräfte informieren.

WIRTSCHAFT ONLINE: Was ganz konkret machen wir als IHK zu Leipzig in diesem Projekt?

Yvonne Ruhnau: Gemeinsam mit den Arbeitgeberservices der Agenturen für Arbeit in unserem IHK-Bezirk informieren und beraten wir Unternehmen über die Möglichkeiten der Anwerbung von internationalen Fachkräften und vereinbaren konkrete Termine für digitale Speed-Dating-Gespräche im Rahmen der Recruiting Days, die ab Februar 2025 monatlich stattfinden werden. Wenn sich die Unternehmen für eine oder mehrere Fachkräfte entscheiden, begleiten wir die Unternehmen auch nach der Einreise der Fachkräfte weiter. Wir stehen beispielsweise bei Fragen zum Aufenthaltstitel, zum beruflichen Onboarding und zum sozialen Ankommen zur Verfügung. Dazu bieten wir hilfreiches Material wie Checklisten oder Musterbeispiele für Arbeitsverträge. Über unsere breiten Netzwerke im IHK-Bezirk bringen wir die Unternehmen dabei mit lokalen Unterstützungsangeboten sowie mit anderen Unternehmen, die ausländische Fachkräfte angeworben haben, in Verbindung. In einer Fokusgruppe mit unterschiedlichen Unternehmen moderiert die IHK zu Leipzig einen regelmäßigen Austausch zwischen Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland einstellen. So können Erfahrungswerte ausgetauscht, Fragen beantwortet und Lösungen gefunden werden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Es gibt eine Webinar-Reihe mit den anderen sächsischen IHKs. Können Sie uns dazu schon etwas erzählen?

Elisabeth Weiß: Bei der Fachkräftesicherung im Allgemeinen und der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland im Besonderen gibt es viele verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, zu denen es in den meisten Fällen auch bereits viele Vorerfahrungen gibt. Über einzelne Themen informieren wir in unserer Webinarreihe IHK-Mittagsmittwoch - Fachkräftesicherung To go ab dem 12. Februar 2025 und laden dazu auch Expertinnen und Experten oder Unternehmen ein, die bereits selbst Erfahrungen damit gesammelt haben. Dabei wird es unter anderem um die Anerkennungspartnerschaft, die Anwerbung von Berufserfahrenen und andere Möglichkeiten im Rahmen der Fachkräfteanwerbung gehen, aber auch um den berufsbegleitenden Spracherwerb, um die Gestaltung einer Willkommenskultur, um das Gesundheitsmanagement oder die lebensphasenorientierte Personalarbeit. Die Webinare finden jeweils mittwochs an elf Terminen zwischen Februar und Dezember 2025 zur Mittagszeit statt. Sie geben Impulse und ermöglichen einen Austausch mit Unternehmen und den geladenen Expertinnen und Experten. Die Termine und weitere Informationen finden Unternehmen in unserem Veranstaltungskalender.

WIRTSCHAFT ONLINE: Die Berufsausbildungen in den Herkunftsländern werden in Deutschland in den meisten Fällen voll anerkannt, die Aspirantinnen und Aspiranten haben auch zertifizierte Deutschkenntnisse. Heißt das, dass es zum Beispiel in Brasilien oder auf den Philippinen ähnliche Berufsabschlüsse wie die deutschen IHK-Abschlüsse gibt? Wo werden die Deutschkenntnisse vermittelt?

Yvonne Ruhnau: Bei den Fachkräften des Projekts „Hand in Hand for international Talents“ gibt es viele Fachkräfte mit voller Berufsanerkennung, da einerseits die theoretischen Berufsinhalte unseren IHK-Ausbildungsinhalten entsprechen. Andererseits können diese Fachkräfte in den meisten Fällen mehrjährige einschlägige Berufserfahrung in den Berufen vorweisen, die als Praxiszeit angerechnet werden kann. Institutionen wie die IHK FOSA, welche die Berufsqualifikationen der Personen auf Gleichwertigkeit prüfen, stellen in diesen Fällen dann einen Bescheid der vollen Anerkennung der Berufsqualifikationen aus, sodass diese sofort als Fachkräfte eingestellt werden können. Wenn sich die Fachkräfte noch im Anerkennungsverfahren befinden oder nur eine teilweise Anerkennung der Berufsqualifikation vorliegt, ist das auf den Profilen einsehbar. Im Falle einer teilweisen Anerkennung müssen die Unternehmen beachten, dass die Personen in diesen nicht reglementierten Berufen zwar schon als Fachkraft beschäftigt werden können, vorrangig aber ihre Nachqualifizierung im Rahmen von Theoriemodulen oder einer Praxiszeit im Unternehmen absolvieren müssen.

Elisabeth Weiß: Bei welchen Anbietern die Fachkräfte zertifizierte Sprachkurse bekommen, erfahren sie bei den jeweiligen Auslandshandelskammern. So sind für die Einreisebestimmungen des Auswärtigen Amts Deutschsprachzertifikate nach ALTE-Standards vorgegeben, beispielsweise das Goethe-Zertifikat oder das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD). Die Fachkräfte weisen zum Zeitpunkt der Aufnahme in die digitalen Fachkräfteprofile bereits Deutschkenntnisse auf den Sprachniveaus A2 bis B2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) vor. Mit A2-Deutschkenntnissen ist eine Einreise nach den gesetzlichen Einreisebedingungen gewährleistet. Die Unternehmen entscheiden für sich, welches Deutschlevel für die Tätigkeit in ihren Betrieben ausreichend ist. In den digitalen Speed-Dating-Terminen und nachfolgenden Bewerbungsgesprächen können die sprachlichen Fähigkeiten durch die Unternehmen selbst eingeschätzt werden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie sprachen von Profilen im Internet, die zwar anonymisiert, aber detailreich darüber informieren, wer sich nach Deutschland vermitteln lassen möchte. Können Sie bitte etwas zu den Inhalten der Profile sagen?

Yvonne Ruhnau: Die Fachkräfteprofile sind als Kurzprofilmappen auf der Projektwebseite der DIHK Service GmbH zu finden. Eine Verlinkung dazu gibt es auch auf unserer IHK-Webseite. Die Profile sind nach Bereichen geordnet: Elektro, Hotellerie und Gastronomie, Metall und Mechatronik sowie IT. Die einzelnen Profile sind anonymisiert und mit dem deutschen Referenzberuf und dem Anerkennungsstatus betitelt, zum Beispiel „Mechatroniker, teilweise Anerkennung“. Es folgen Informationen zu Art und Umfang der Berufserfahrung, zum Sprachlevel Deutsch und anderen Sprachen wie der Erstsprache oder Englisch. Nicht nur in der Gastronomie helfen Englischkenntnisse zur Kommunikation – mit Kundinnen und Kunden, aber auch innerhalb der Teams. In den Fachkräfteprofilen werden auch weitere Kenntnisse und Fähigkeiten aufgeführt, wie beispielsweise Kenntnisse im Umgang mit konkreter Software oder persönliche Stärken. Unten auf dem Fachkräfteprofil ist zudem Platz für Bemerkungen zur persönlichen Motivation und regionalen Präferenz einer Beschäftigung in Deutschland. Denn wenn Fachkräfte beispielsweise bereits Familie oder Bekannte in Deutschland haben, ist eine Beschäftigung in der Nähe sinnvoll.

WIRTSCHAFT ONLINE: Es gibt Recruiting Days. Wie laufen die ab und wann finden oder fanden sie statt? Gibt es auch zwischendurch Möglichkeiten, mit den Interessierten aus dem Ausland ins Gespräch zu kommen?

Elisabeth Weiß: Bei den Recruiting Dayshaben Unternehmen und Fachkräfte die Möglichkeit, einander in 15-minütigen digitalen Speed-Dating-Terminen kennenzulernen. Die Recruiting Days haben zuletzt Mitte November 2024 stattgefunden und werden ab Februar 2025 monatlich von der DIHK Service GmbH als Projektleitung organisiert. Vom 11. bis 13. Februar 2025 finden die nächsten Recruiting Days jeweils von 11:00 Uhr bis 13:30 Uhr statt. Die Anmeldung dazu ist simpel: Wenn Unternehmen passende Fachkräfte in den digitalen Fachkräfteprofilen gefunden haben, können sie sich auf der Webseite von „Hand in Hand for international Talents“ für die Recruiting Days anmelden und dort bereits ihre Gesprächswünsche angeben. Es gibt drei Tage mit den jeweiligen Themenschwerpunkten:

  • Elektro-, Metall- und Mechatronik
  • Hotellerie- und Gastronomie
  • IT

Als Unternehmen muss man nach der Anmeldung ein Unternehmensprofil ausfüllen, welches den Fachkräften zugeschickt wird. Sagen diese einem Gespräch zu, erhalten die Unternehmen einen Zeitplan mit konkreten Gesprächszeiten für die Recruiting Days. Sollen auf diese ersten Kennenlerngespräche weitere Gespräche folgen oder kann ein Unternehmen nicht an den Recruiting Days teilnehmen, sind selbstverständlich freie Terminabsprachen mit den Fachkräften möglich.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wie schärfen Sie die Zusammenarbeit mit den ins Projekt involvierten Partnern? Gibt es Vereinbarungen? Wie läuft das ab?

Yvonne Ruhnau: Im Projekt ist eine enge Zusammenarbeit zwischen IHK und Agentur für Arbeit vorgesehen. Wir haben uns dazu mit den zuständigen Arbeitgeberservices in Leipzig und Oschatz zusammengesetzt. Die Arbeitgeberservices unterstützen die Unternehmen bei der Fachkräftesicherung – nicht nur im internationalen Kontext. Sie helfen unter anderem bei der Ansprache von Fachkräften und bei Fragen zur Beschäftigung, beispielsweise im Rahmen der Vergütung. Auch im Projekt „Hand in Hand for international Talents“ ist vorgesehen, dass die Agenturen für Arbeit gemeinsam mit der IHK zu Leipzig die Unternehmen über das Projekt informieren und Fragen dazu beantworten. Wir als Industrie- und Handelskammer beraten darüber hinaus auch zu den weiteren Schritten nach der Einstellung und Einreise der Fachkraft, beispielsweise im Rahmen der Behördengänge und der betrieblichen und sozialen Integration der Fachkräfte. Für die Zusammenarbeit haben wir mit den Agenturen für Arbeit eine Kooperationsvereinbarung getroffen und werden regelmäßige Absprachen und Evaluationstermine durchführen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Natürlich fehlt die Frage nach den Kosten für alle Beteiligten. Welche Kosten kommen auf die interessierten Unternehmen zu?

Elisabeth Weiß: Das Projekt „Hand in Hand for International Talents“ erhebt eine Dienstleistungspauschale für die erfolgreiche Kontaktherstellung zu einer Fachkraft. Bei Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen bis 49 Mitarbeitende liegt diese Pauschale bei 2.900,00 € zzgl. USt. Bei mittelgroßen Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden liegt sie bei 3.400,00 € zzgl. USt. Große Unternehmen mit 250 bis 999 Mitarbeitenden zahlen 4.400,00 € zzgl. USt. und Großunternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden 5.400,00 € zzgl. USt. Diese Pauschale kommt zu 100 Prozent der Vorbereitung und Qualifizierung der Fachkräfte zugute. Denn neben der Anerkennungsberatung und -begleitung findet unter anderem auch eine Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in Deutschland statt.

Über den Fördermittelkompass der IHK zu Leipzig finden Sie auch die entsprechenden Fördermittelprogramme.

WIRTSCHAFT ONLINE: Gibt es auch Kosten, die bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte entfallen?

Elisabeth Weiß: Auf jeden Fall! Auf der Website der IHK zu Leipzig haben wir eine Schätzung der Kosten vakanter Stellen für Sie berechnet. Die Zahlen finden Sie hier.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Frau Ruhnau und Frau Weiß, für Ihre Zeit, Ihre Antworten und Ihr Engagement.

 

"Hand in Hand for international talentS" DIHK SERVICE GMBH

Webinarreihe IHK-Mittagsmittwoch - Fachkräftesicherung To go

IHK-Fachkräfteprojekt "Talente gewinnen und sichern"

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