Henry Graichen
Interview mit dem Landrat im Landkreis Leipzig Henry Graichen

… die Fortschritte sind nicht zu übersehen

12. Januar 2023

Interview mit dem Landrat im Landkreis Leipzig Henry Graichen

Gerade der ländliche Raum ist bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes mit diversen Problemstellungen konfrontiert. Deshalb sollten seine Vertreter auch zu Wort kommen. Wir sprachen mit Landrat Henry Graichen, der schon von Anbeginn seiner beruflichen Laufbahn an mit Verwaltung und Verwaltungsdigitalisierung zu tun hat.

WIRTSCHAFT: Guten Tag, Herr Henry Graichen. Seit sieben Jahren sind Sie Landrat im Landkreis Leipzig. Wo steht der Landkreis Leipzig in Fragen Onlinezugangsgesetz? Mit Beginn 2023 soll ja schon sehr viel möglich sein …

Henry Graichen: Alle Bürgerinnen und Bürger sollen künftig über einen Zugang alle Verwaltungsdienste abrufen können, egal ob es sich um Aufgaben des Bundes, der Länder oder der Kommunen bzw. der Landkreise handelt. Diese Idee steckt hinter dem Online-Zugangsgesetz, das viel Schwung in die Digitalisierung gebracht hat. Dieses bis Ende 2022 umzusetzen, wird uns in Deutschland nicht gelingen, das sieht auch der Normenkontrollrat so. Was aber insgesamt an Fahrt aufgenommen hat, ist die weitere Digitalisierung der öffentlichen Stellen. Sehr viel hat auch die Pandemie bewirkt. So manche verkrusteten Systeme im Gesundheitswesen wurden aufgebrochen, plötzlich war hier vieles möglich.

Im Landkreis Leipzig arbeiten heute viele Ämter selbstverständlich mit elektronischen Akten, das bedeutet, der Zugriff und der Austausch der Informationen erfolgt digital. Arbeiten Bauaufsichtsamt und Umweltamt an einem Verfahren, werden keine Akten und Pläne mehr hin und her transportiert, sondern über ein Verwaltungsinformationssystem ausgetauscht.

Für die Bürgerinnen und Bürger ist allerdings noch wenig Konkretes zu sehen. Möglich sind bereits die digitale KFZ-Abmeldung, Anträge auf Wohngeld, Landesblindengeld oder das Bundeselterngeld. Alle Anträge und Informationen zu Verwaltungsleistungen sind als PDF auch auf und im Amt24 hinterlegt, welches künftig das Zugangs-Portal für Sachsen bilden soll, ebenso auf unserer Webseite.  Die Formulare können meist online ausgefüllt und teilweise auch versandt werden. Oft müssen sie aber ausgedruckt und mit den Anlagen per Post versandt werden. Ziel wären hier zum Beispiel Eingabemasken mit einer Funktion zum Hochladen von Dokumenten, wie wir sie aus anderen Bereichen kennen. Wir sind in Deutschland noch lange nicht dort, wo wir sein wollen, aber die Fortschritte sind nicht zu übersehen. In Estland, so wird berichtet, gebe es nur drei Dinge, die nicht digital erledigt werden können: Die Heirat, die Scheidung und der Immobilienkauf.

WIRTSCHAFT: Sie selbst schlossen 1999 Ihr Studium als Diplom-Verwaltungswirt an der Fachhochschule für Sächsische Verwaltung in Meißen ab, sind also von Anbeginn der Digitalisierung dabei. Welches waren die größten Hemmnisse und welches die größten Pluspunkte für den Landkreis Leipzig bei der Digitalisierung der Verwaltung?

Henry Graichen: Wer digitale Anträge stellt, muss sich auch rechtssicher ausweisen, hier liegt eines der größten Hemmnisse. Der moderne Personalausweis dient als elektronische Signatur, wenn man diese Funktion freischaltet. Dies nutzen bislang aber nur sehr wenige Bürgerinnen und Bürger, so dass beispielsweise die DE-Mail, mit der rechtsverbindliche Anträge möglich waren, in der Vergangenheit ins Leere liefen. Wenn jetzt die Lösung über Portale geschaffen wird, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger nur einmal für alle möglichen Verwaltungsvorgänge registrieren müssen, ist das sicherlich der richtige Weg. Ein weiterer Hemmschuh ist auch das fehlende IT-Personal. Hier ist der Arbeitsmarkt leergefegt, das bremst uns alle aus.

Für uns einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung haben wir mit der Einführung von flexiblen Arbeitsplätzen in der Landkreisverwaltung gemacht. Ein Großteil der Mitarbeitenden kann sich jetzt über sogenannte Flexbooks von überall sicher ins Landkreissystem einwählen und arbeiten. Auch das dient der schnelleren Bearbeitung von Vorgängen.

WIRTSCHAFT: Welche Chancen birgt das OZG in Ihrer Region?

Henry Graichen: Im Idealfall verbessert sich die Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Sachbearbeitenden in den Ämtern. Möglicherweise wird künftig jeder sehen können, wie weit der Antrag bearbeitet ist. Hier wird es künftig mehr Transparenz geben.

Weil die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen Dienst- und Verwaltungsleistungen von den Kommunen, Landkreisen über die Länder bis zum Bund nachfragen, ist eine gute Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes für den Standort Deutschland insgesamt wichtig.

WIRTSCHAFT: Bevor Sie Landrat wurden, waren Sie Bürgermeister für Neukieritzsch. Gerade Gemeinden wie diese sind demografisch – aber auch vom Ausbau der Leitungen her – schlechter aufgestellt als zum Beispiel Studentenstädte wie Leipzig. Wie können gerade ältere Menschen an den digitalen Angeboten partizipieren?

Henry Graichen: Viele ältere Menschen sind sehr fit im Umgang mit dem Computer oder den mobilen Geräten, das sollte man nicht unterschätzen. Unsere Volkshochschule gibt Kurse und Anleitungen oder auch im privaten Umfeld wird gut geholfen. Es ist zwar Ziel des OZG, alle Verwaltungsleistungen online anzubieten, den Bürgerinnen und Bürgern soll es aber freistehen, Anträge auch künftig noch persönlich einzureichen.

WIRTSCHAFT: Was kann besser gemacht werden?

Henry Graichen: Nach dem OZG sollten 575 Verwaltungsdienste bis Ende 2022 digital verfügbar sein. Diese sind aber von Land zu Land, in den Landkreisen und Kommune unterschiedlich ausgestaltet. Wir alle haben in den letzten Jahren sehr viel in unsere IT gesteckt, Fachprogramme entwickelt oder auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet. Diese Entwicklungen bedeuten einen großen Kraftakt. Wollen wir hier schnelle Erfolge für die Bevölkerung und Wirtschaft erreichen, wäre der Weg über die Konzentration auf Massenverfahren, also solchen, die sehr viele Menschen betreffen, vorzuziehen.

Wirtschaft: Danke, Herr Graichen, für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Der Landkreis Leipzig im Internet:

www.landkreisleipzig.de

Tipp der Redaktion: Podcast „Wirtschaft+“, Folge 3: Jenny Krick im Interview über das Onlinezugangsgesetz

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Jenny Krick gerne weiter.

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Porträt Jenny Krick

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