Indien – der Riese, der nie schlief? Indien ist kontrastreich, vielseitig und für viele Betrachtende umfassend faszinierend. Seien es die Gegensätzlichkeiten, die in der indischen Gesellschaft leicht zu erahnen sind, die traditionsreiche Spiritualität, die vielfältigen Naturräume oder aber die beeindruckende Dynamik des wirtschaftlichen Aufstieges. In der Liste der größten Volkswirtschaften ist Indien bereits eine feste Größe in den Top 10. Eine Überholung der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien in dieser Rangliste ist quasi nur noch eine Frage sehr kurzer Zeit bzw. der Berechnungsmethode. Dennoch gibt es derzeit kein umfassendes Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Indien. Die EU und Indien haben seit 2007 Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen geführt. Die Verhandlungen sind jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in verschiedenen Bereichen, wie Marktzugang, Investitionen, geistigem Eigentum und öffentlichem Beschaffungswesen, ins Stocken geraten. Die EU und Indien haben jedoch im Jahr 2021 eine vorläufige Einigung erzielt, um ihre Handelsbeziehungen zu verbessern und den Handel und Investitionen zwischen beiden Ländern zu erleichtern. Dies geschieht im Rahmen der EU-Indien Konnektivitätspartnerschaft. Es wird jedoch erwartet, dass die Verhandlungen für ein umfassendes FTA fortgesetzt werden, um langfristige Handelsbeziehungen zwischen der EU und Indien aufzubauen. So kündigte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen anlässlich ihres Besuchs in Indien am 25. April 2022 an, dass die EU mit Indien wieder über ein Freihandelsabkommen sprechen wird. Die indische Wirtschaft ist durchaus heterogen. Im Wesentlichen dominieren vier Sektoren. Der bei Weitem größte und dynamischste Sektor ist der Dienstleistungssektor, hier insbesondere Bran- chen wie Informationstechnologie, Telekommunikation, Banken, Versicherungen, Tourismus, Handel und Gesundheitswesen. Diese Branchen profitieren vom großen indischen Binnenmarkt und seiner wachsenden Kaufkraft. In Europa häufig in aller Munde ist auch die indische Industrie. Allem voran die Stahlproduktion, der Maschinenbau und die Automobilindustrie. Gerade die große indische Pharmaindustrie steht vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit und Umweltbelastung aus europäischer und deutscher Sicht immer wieder im Mittelpunkt von Diskussionen. Ebenfalls mit Umweltproblemen hat der lukrative Bergbausektor zu kämpfen. Die Ausbeutung reicher Vorkommen etwa von Bauxit (ein Aluminiumerz) und Kupfer werde auch in Zukunft mit Blick auf die prognostizierte Weltmarktlage ein attraktives Geschäftsfeld sein. Innenpolitische Diskussionen löste indes der Agrarsektor in Indien aus. Der größte Teil der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft, häufig unter widrigen Arbeitsbedingungen und am unteren Ende der Existenz. Zwar stellt die Produktion von Baumwolle, Soja oder Zuckerrohr wichtige Cash-Crops – also Kulturpflanzen, die zu (überregionalen) Verkaufs- oder Exportzwecken und somit zur vorrangigen Gewinnerzielung gepflanzt werden – dar, doch ein beträchtlicher Anteil der indischen Landwirtschaft dient der regionalen Ernährungssicherung. Auch die Subsistenzlandwirtschaft, die der Selbstversorgung dient, ist weit verbreitet. Vor diesem Hintergrund sind auch die über ein Jahr anhaltenden MassenFoto: © muratart – stock.adobe.com 6 Länder und Märkte
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