WIRTSCHAFT Digital

„KI kann im Handwerk genauso wie der Schwerindustrie oder Dienstleistungsbranche die Profitabilität erhöhen und dabei helfen, bevorstehende Herausforderungen schon vorher zu moderieren.“ inwieweit das wirklich Innovation und Wachstum beschleunigt, ohne gleichzeitig die Rechte der Menschen zu gefährden oder USA und China technologisch an uns vorbeiziehen zu lassen. Ich bin skeptisch. Aber so ticken wir hier in Deutschland: Lieber erst einmal abwarten, bis der Gesetzgeber den Rahmen steckt. Doch das ist gefährlich, da die Gesetze ja nicht nur von der Politik geschrieben werden, sondern auch von denen, die bereits Erfahrungen gemacht haben und diese wiederum haben in der Regel andere Interessen als der Mittelstand. Die Botschaft an Unternehmen heißt also: Erstmal probieren, das geltende Recht antizipieren und gegebenenfalls später nachjustieren. WIRTSCHAFT: Unsere Mitglieder sind in der Mehrzahl KMU – heißt: kleine und mittlere Unternehmen. Dies wiederum bedeutet, dass selten große Digital- und KI-Abteilungen im Team sind. Wie kommen KMU an Informationen zu KI und Arbeitswelt? Kai Gondlach: Viele Wirtschaftsförderungen und Kammern springen gerade auf den KI-Zug auf und können sich vor Anfragen kaum retten. Auch in kleineren Unternehmen sind oft Menschen beschäftigt, die mindestens Interesse am Thema haben; dieses Interesse sollte schnell ausgebaut werden. Noch sind die Einstiegshürden für KI-Grundwissen relativ gering. Eine andere Möglichkeit sind gezielte Ausschreibungen an Hochschulen und Universitäten in den passenden Fachbereichen. Schließlich gibt es wahnsinnig viel Literatur zum Thema, auch aus meiner Feder. Die Kernbotschaft bleibt aber: KI kann im Handwerk genauso wie der Schwerindustrie oder Dienstleistungsbranche die Profitabilität erhöhen und dabei helfen, bevorstehende Herausforderungen schon vorher zu moderieren. Das passiert aber weder zufällig noch wird es eine allgemeine KI-Lösung geben, die ich einfach einkaufen kann. WIRTSCHAFT: Wenn ich KI auf den Grundsatz herunterbreche, ist sie ein InformationsAbgreif-Programm, welches eben auch nur auf vorhandene Informationen zurückgreifen kann. Dies jedoch in Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage, wackeligen politischen Systemen und Echtzeitübersetzungsmöglichkeiten in alle Sprachen betrachtet, bedeutet auch, dass der europäische Staatenbund viel zu langsam agiert. Autokratien können per Dekret agieren. Welche Chancen haben wir hier an unserem Standort im Wettbewerb der Systeme? Kai Gondlach: Ein sehr wichtiger Punkt ist die Datenfrage, also: wo und auf welchem Wege verarbeite ich oder meine KI die Daten? Es stimmt, dass wahnsinnig viele Gefahren im Zusammenhang mit KI lauern. Die größte ist aber, deshalb nur abzuwarten. Die Regulierungswut in Deutschland und der EU passt da leider zu vielen Unternehmenskulturen, die eben lieber auf handfeste Gesetze warten, anstatt die Transformation proaktiv zu gestalten. Stattdessen bleibt der Fokus auf dem Kerngeschäft, was natürlich auch wichtig ist, aber nur weil ich die Hände vor die Augen halte, gewinne ich noch nicht beim Versteckspiel. Chancen ergeben sich vor allem dadurch, dass an mehreren Standorten Fabriken entstehen zur Produktion von Computerchips und anderer Hardware, die für robuste KI-Systeme benötigt werden, Stichwort Technologiesouveränität. Bedauerlicherweise spielen deutsche Unternehmen in dieser Entwicklung kaum eine Rolle. WIRTSCHAFT: KI wird erst richtig zur Geltung kommen, wenn auch das Onlinezugangsgesetz umgesetzt ist. Wird das jemals vollfunktionsfähig geschehen? Der Bürokratenhengst stemmt sich ja mit allen Mitteln dagegen. Kai Gondlach: Ja, das wird geschehen, weil es nicht anders geht. Allerdings teile ich die Hypothese, dass das Verwaltungssystem hier nach wie vor zu träge ist und ja selbst unter einem eklatanten Fachkräftemangel leidet. Deutschland steckt immer noch in der digitalen Steinzeit fest. Deshalb sollten die Leitungsebenen eine andere Priorisierung vornehmen als gewohnt; da wird dann auch mal ein paar Wochen oder Monate die reguläre Arbeit liegenbleiben müssen und die Überbrückung wird natürlich personalintensiv und teuer. Aber danach sollten die klassischen Aufgaben sehr viel effizienter bearbeitet werden können, denn wenn KI unter den richtigen Voraussetzungen eins kann, dann das: skalieren. WIRTSCHAFT: Danke, Herr Gondlach, für Ihre Zeit und Ihre Antworten. Kai Gondlach: Sehr gern, ich bedanke mich für die klugen Fragen und Ihr Interesse! 8 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Sommer 2024 Das große Interview

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