WIRTSCHAFT Digital

Interview WIRTSCHAFT SPEZIAL: Dr. Magerl, wie würden Sie die derzeitige Lage für die Wirtschaft beschreiben? Fabian Magerl: Sie ist herausfordernd. Um die große Linie zu skizzieren: Auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 bis 2011 folgte in ganz Deutschland wie in Sachsen und Leipzig ein Boom-Jahrzehnt mit – für unsere Verhältnisse – hohen Wachstumszahlen. 2016 wuchs das BIP in Sachsen um 2,7 Prozent! Leider wurden die sprudelnden Steuereinnahmen nicht genutzt, um Deutschland und Sachsen mit Strukturreformen und Investitionen zukunftsfit zu machen. Ab 2018 gingen Umsätze und Gewinne in der Industrie zurück – was oft ein Vorbote einer Konjunktur- delle ist. Ab 2020 folgten die ökonomischen Schocks Corona und Energiekrise als Folge des Ukraine-Kriegs, die die Konjunktur haben ein- brechen lassen und für viele Unternehmen existenzbedrohend waren und sind. Von diesen Extremfällen haben wir uns halbwegs erholt, dennoch sind die politischen Versäumnisse bei Strukturreformen und Zukunftsinvestitionen nicht aufgeholt. Beim Fachkräftemangel, den hohen Energiepreisen, dem Bürokratieabbau, dem Investitionsstau unserer Infrastrukturen – bei all dem kommen wir nicht voran. Das verunsichert Unternehmer und Konsumenten, private und betriebliche Investitionen werden zurückgehalten. Sie sehen also: Es ist eine komplexe und herausfordernde Gemengelage. WIRTSCHAFT SPEZIAL: Was sollte der neue Sächsische Landtag dringend angehen, welche Probleme stehen vorne an? Fabian Magerl: Das Dauerthema Bürokratieabbau muss oben auf der Agenda bleiben. Hier gibt es keine goldene Lösung oder den einen Kahlschlag, der alles entfesselt, aber der Staatsregierung liegen Vorschläge vor – auch von uns – um Verfahren zu vereinfachen. Die muss sie nur umsetzen! Außerdem brauchen wir in Sachsen gut ausgebildete Facharbeiter. Wir müssen also das Niveau in den Schulen hochhalten und Unterrichtsausfall und Schulabbrüche reduzieren. Ausländische Einwanderer in den Arbeitsmarkt müssen proaktiv angeworben und – wo es in sächsischer Hand liegt – unbürokratisch und schnell integriert werden. Investitionen in die Infrastrukturen sind erfahrungsgemäß ein Standortvorteil im internationalen Wettbewerb. Neben Breitband, Mobilfunk, Schiene, Straße betrifft das auch die Infrastrukturen der Energiewende, wie Wasserstoff, dekarbonisierte Wärmeversorgung oder Anlagen der erneuerbaren Energien. WIRTSCHAFT: Herr John, Sie haben in Ihrem Team die Informationen für dieses Heft zusammengetragen. Wie sind Sie vorgegangen? Moritz John: Für den Abgleich der Parteiprogramme untereinander und mit den IHK-Positionen haben wir acht Parteigeschäftsstellen zu ihren Positionen befragt. Daraus entstand der kompakte Überblick. Ähnlich lief der Prozess bei den Interviews, mit drei identischen Fragen für vergleichbare Antworten, die bewusst knapp und übersichtlich gehalten sind. Wir haben uns auf Fragen zu Bildung, Arbeitsmarkt und Attraktivität der Selbstständigkeit beschränkt. Für die anderen Themen gibt es den großen Programmvergleich. WIRTSCHAFT SPEZIAL: Befragt wurden Spitzenkandidatinnen und -kandidaten von acht Parteien. Allerdings wollen 23 Parteien zur Wahl antreten, wobei die Listen von vier Parteien vom Landeswahlausschuss zurückgewiesen wurden. Bei Redaktionsschluss waren es 19 Parteien, die es auf die Stimmzettel schaffen. Warum wurden für dieses Heft acht Parteien ausgewählt? Moritz John: Wir betrachten die fünf Parteien, die im aktuellen Landtag vertreten sind, und IHK zu Leipzig „Wirtschaft spezial - Landtagswahl Sachsen 2024“ 5

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